1. Beerdigungskosten für die Mutter (§ 1615m BGB)
Zunächst kann man noch gewisse Nachwirkungen des schadensersatzrechtlichen Denkens feststellen. Obwohl die Ansprüche aus § 1615l BGB als Unterhaltsansprüche konzipiert sind, hallt der Entschädigungsgedanke noch immer nach. Ein schlagendes Beispiel dafür bietet die Vorschrift des § 1615m BGB: Wenn die Mutter infolge der Schwangerschaft oder Entbindung stirbt, hat der Vater – im Rang nach den Erben – die Kosten der Beerdigung zu tragen. Das hat mit Unterhalt nichts zu tun. Da es nicht auf Widerrechtlichkeit oder Verschulden ankommt, kann man von einer Gefährdungshaftung für riskantes Tun sprechen. Der eigentliche gedankliche Hintergrund der Norm ist die alte Vorstellung, dass der außereheliche Geschlechtsverkehr eine unerlaubte Handlung bildet.
2. Ansprüche ohne Rücksicht auf Kindesbetreuung (§ 1615l Abs. 1 BGB)
Der Betreuungsunterhalt nach § 1615l Abs. 2 S. 2 BGB ist nicht der einzige Anspruch, welcher der Mutter eines nichtehelichen Kindes gegen den Vater zusteht.
a) Unabhängig von der Kindesbetreuung hat der Vater der Mutter für die Dauer von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt Unterhalt zu gewähren, zudem auch die Kosten, die außerhalb dieses Zeitraums infolge Schwangerschaft und Entbindung entstehen (§ 1615l Abs. 1 BGB).
b) Darüber hinaus ist der Vater der Mutter zum Unterhalt verpflichtet, soweit die Mutter einer Erwerbstätigkeit nicht nachgeht, weil sie infolge der Schwangerschaft oder einer durch die Schwangerschaft oder die Entbindung verursachten Krankheit dazu außerstande ist (§ 1615 Abs. 2 S. 1 BGB). Dieser Anspruch ist zeitlich unbegrenzt, d.h. er besteht, solange der Krankheitsbefund anhält, und er ist auch gegeben, wenn die Frau eine Fehlgeburt erleidet oder das Kind tot geboren ist (§ 1615n BGB).
Gerade bei dem letztgenannten Anspruch bei schwangerschaftsbedingter Erwerbsunfähigkeit klingt noch der Entschädigungsgedanke nach, obwohl es sich um einen echten Unterhaltsanspruch handelt. Auf die Betreuungsbedürfnisse des Kindes kommt es nicht an: Ein Mann hat mit einer Frau ein Kind gezeugt, die Frau ist infolgedessen krank geworden und kann nicht erwerbstätig sein; also schuldet der Mann den Unterhalt – selbst wenn das Kind tot geboren wurde (§ 1615n BGB). Grundgedanke ist: Der Mann hat etwas angerichtet, wofür er einstehen muss. Beim Geschiedenenunterhalt wäre der Fall nach § 1572 BGB zu beurteilen, also nach völlig anderen, genuin unterhaltsrechtlichen Kriterien. Damit soll nicht gesagt sein, dass das Einstehen des Vaters für den Unterhaltsbedarf der Mutter rund um Schwangerschaft und Geburt nicht begründbar sei – doch machen Wortlaut und Gestaltung der Vorschriften des § 1615l Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 BGB einen veralteten, dem Entschädigungsgedanken verhafteten Eindruck.
3. Eine überwundene Nachwirkung: die "bis zur Geburt erreichte" Lebensstellung der Mutter
a) Frühere Rechtsprechung
Auch beim Betreuungsunterhalt selbst (§ 1615l Abs. 2 S. 2 BGB) war noch sehr lange Zeit schadensersatzrechtliches Denken virulent. Das betraf das Maß des zu gewährenden Unterhalts, das sich prinzipiell nach der Lebensstellung der Mutter richten soll. Nach wiederholten Aussagen des BGH sollte es auf diejenige Lebensstellung ankommen, welche die Frau bis zur Geburt innehatte, folglich auf das von ihr bis zur Geburt nachhaltig erzielte Einkommen. Schadensersatzrechtlich ausgedrückt: Sie war so zu stellen, wie sie stünde, wenn das schadensstiftende Ereignis (Geburt!) nicht eingetreten wäre.
Das hat sich zum Beispiel bei der Frage ausgewirkt, wonach sich die Lebensstellung einer Mutter richtet, die von ein und demselben Mann noch ein zweites nichteheliches Kind hat. Dazu gab der BGH den Grundsatz aus, dass es beim Betreuungsunterhalt für das zweite Kind auf die Einkommensverhältnisse ankomme, die bei Geburt des ersten Kindes gegeben waren. Das erste Kind legte also das Niveau für die weiteren Kinder fest. Das erinnert noch stark an den gemeinrechtlichen Stuprationsanspruch: Beim ersten Mal ist das Entscheidende passiert, weitere Ereignisse gleicher Art können dem nichts Wesentliches mehr hinzufügen.
b) Neue Rechtsprechung: "wandelnde Lebensstellung"?
In der Frage, ob die Lebensstellung einer Mutter auf die Zeit der Geburt eingefroren wird, ist glücklicherweise Bewegung in die Judikatur gekommen, schon in der genannten Entscheidung von 2010 hat der BGH eine Tür offen gehalten: Der Betreuungsunterhalt aus Anlass der Betreuung und Erziehung eines weiteren Kindes könne – so sagt der Gerichtshof – "allenfalls dann" auf einen höheren Unterhaltsbedarf gerichtet sein, wenn der betreuende Elternteil zwischenzeitlich, z.B. durch ein nachhaltig gesichertes höheres Einkommen...