Die Spannung, mit der erwartet wurde, wie der BGH auf das Verdikt des Bundesverfassungsgerichts zu den "wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen" reagieren würde, macht jetzt, da die Antwort vorliegt, der Enttäuschung Platz. Im Ergebnis hat sich nichts Wesentliches geändert: Reichen die Einkünfte eines Unterhaltsverpflichteten nicht aus, um den angemessenen Bedarf zweier, je ein Kind des Verpflichteten betreuender, nach § 1570 BGB unterhaltsberechtigter Mütter zu befriedigen, so ist im Rahmen von § 1581 BGB "eine Billigkeitsabwägung in Form einer Dreiteilung des gesamten unterhaltsrelevanten Einkommens revisionsrechtlich nicht zu beanstanden". Es bleibt also bei der Dreiteilungsmethode.
Die Entscheidung ist ein Affront gegen das Bundesverfassungsgericht, dem es nicht nur darum ging, den Begriff der wandelbaren ehelichen Lebensverhältnisse aus den Urteilsbegründungen zu eliminieren, sondern darum, durch ein dem Grundgesetz entsprechendes Verständnis der ehelichen Lebensverhältnisse einen Maßstab für die Unterhaltsbemessung zu setzen. Es versteht sich, dass dieser Maßstab nicht nur die Unterhaltsbemessung gemäß § 1578 BGB betrifft, sondern gerade den Billigkeitsunterhalt nach § 1581 BGB, also den Mangelfall. Entsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in dem ihm vorliegenden Verfahren die Anwendung seiner Grundsätze veranschaulicht, indem es den Unterhaltsanspruch neu berechnet hat.
Die Erwartung, der BGH werde angesichts dieser Konfrontation das Schwergewicht seiner Überlegungen auf die seine Entscheidung tragenden Billigkeitserwägungen legen, erfüllt sich nicht. Stattdessen konzentriert sich der BGH auf die ehelichen Lebensverhältnisse gemäß § 1578 BGB, ohne dass die betreffenden Darlegungen für das Ergebnis eine Rolle spielen. Die Entscheidungsgründe bestehen damit überwiegend aus obiter dicta.
Angesichts der Notwendigkeit einer Neuorientierung hätte nahe gelegen, den ehelichen Lebensverhältnissen einen am Grundgesetz orientierten materiellen Gehalt zu geben. Diese Chance hat der BGH nicht genutzt. Die ehelichen Lebensverhältnisse verflachen zum Stichtagsprinzip. Zu ihnen gehören außereheliche Beziehungen, die während der Ehe geknüpft werden, und während der Ehezeit geborene nicht eheliche Kinder.
Diese Begriffsbestimmung ist nicht nur eine Kränkung für Ehegatten, die solche "Verhältnisse" als ehelich hinzunehmen haben. Sie schafft darüber hinaus Rechtsprobleme. Künftig wird die durch die Theorie der wandelbaren ehelichen Lebensverhältnisse weitgehend obsolet gewordene Frage, ob eine Entwicklung in der Ehe angelegt ist, wieder häufiger gestellt werden. Wenn zu den ehelichen Verhältnissen alles gehört, was sich während der Ehezeit ereignet, wie es der BGH für richtig erachtet, dann sind alle Entwicklungen in der Ehe angelegt, deren erste Ursache in die Ehezeit, d.h. die Zeit bis zur Rechtskraft der Ehescheidung fällt. Da man die Rechtskraft einer Scheidung verzögern kann, lässt sich u.U. ein erwarteter Karrieresprung oder die Geburt eines Kindes noch zu einem ...