In der Folgezeit hatte der BGH versucht, die gleichwohl verbliebenen Zweifelsfragen durch eine abweichende Auslegung des Begriffes der "ehelichen Lebensverhältnisse" zu lösen, die vor allem die Rechtfertigung und den Zweck des nachehelichen Unterhalts in den Blick nahm. Er hatte § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht mehr rein stichtagsbezogen bewertet, sondern grundsätzlich bereits im Rahmen der Bedarfsbemessung nacheheliche Änderungen der maßgeblichen Verhältnisse berücksichtigt. Weil damit der Grundsatz der Halbteilung bereits abschließend bei der Bedarfsbemessung berücksichtigt worden war, war eine zusätzliche Grenze bei der Leistungsfähigkeit nach den individuellen ehelichen Lebensverhältnissen nicht mehr erforderlich. Entgegen verschiedenen Angriffen in der Literatur hatte der BGH damit die Trennung zwischen Bedarfsbemessung (§ 1578 BGB) und Leistungsfähigkeit (§ 1581 BGB) aber nicht vollständig aufgegeben. Er hatte lediglich die Bedeutung dieser beiden für die Unterhaltsbemessung entscheidenden Begriffe neu definiert. Durch die Berücksichtigung nachehelicher Veränderungen im Wege der Halbteilung bei der Bedarfsbemessung hatte diese stärkeres Gewicht bekommen. Die Leistungsfähigkeit nach § 1581 BGB hatte damit zwar ihre zusätzliche Bedeutung als relative Leistungsunfähigkeit eingebüßt, aber gleichwohl ihre Bedeutung im Sinne einer absoluten Leistungsunfähigkeit unter Berücksichtigung der in § 1609 BGB neu geregelte Rangfolge behalten.
Diese Änderung seiner Rechtsprechung hatte der BGH nicht allein auf die zum 1.1.2008 in Kraft getretene Unterhaltsrechtsreform gestützt. Vielmehr hatte er auch darauf abgestellt, dass die neuere Rechtsprechung schon auf der Grundlage der gesetzlichen Neuregelung durch die 1. Eherechtsreform zulässig gewesen und auf der Grundlage der gesellschaftlichen Entwicklungen inzwischen geboten sei.
1. Dabei hatte der BGH schon den Wortlaut der "ehelichen Lebensverhältnisse" in § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht als eindeutig angesehen. Insoweit hatte er zum einen auf die unterschiedliche Ausgestaltung des Unterhaltsbedarfs im Verwandtenunterhalt und im Ehegattenunterhalt abgestellt. Während sich der Unterhaltsbedarf im Verwandtenunterhalt gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach der eigenen Lebensstellung des Bedürftigen richtet, gewährt § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen, also nach der gemeinsamen Lebensstellung der Ehegatten. In diesem vom Einkommen des besser verdienenden Ehegatten abgeleiteten Unterhaltsbedarf liege die entscheidende Bedeutung auch des Wortlauts der Vorschrift. Hinzu komme, dass der Gesetzgeber mit dem Wortlaut des § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB an die frühere Regelung des § 58 EheG angeknüpft habe. Der dort verwendete Maßstab für den verschuldensabhängigen nachehelichen Unterhalt, die "Lebensverhältnisse der Ehegatten", sei von der Rechtsprechung im Sinne einer flexiblen Anknüpfung auch an nachehelich geänderte Verhältnisse verstanden worden. Wenn der Gesetzgeber in Kenntnis einer solchen Auslegung für die gesetzliche Neuregelung annähernd die gleiche Formulierung verwendet habe, spreche alles dafür, dass er damit jedenfalls auch diese Auslegung gebilligt habe.
2. Unabhängig von diesen Auslegungskriterien hatte der BGH auch auf den bei der 1. Eherechtsreform zutage getretenen weiteren Willen des Gesetzgebers abgestellt. Ein Berechnungsbeispiel in der Stellungnahme des Rechtsausschusses des Bundestages unterschied ausdrücklich zwischen Bedarfsbemessung und Bemessung des Unterhalts im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen. Bereits der Bedarf der geschiedenen Ehefrau war darin unter Berücksichtigung der weiteren Unterhaltspflicht gegenüber der neuen Ehefrau bemessen worden. Darin hatte der BGH ein weiteres Argument dafür erblickt, dass der Gesetzgeber auf der Grundlage der aus Art. 6 Abs. 1 GG folgenden Gleichwertigkeit einer geschiedenen und einer neuen Ehe die daraus hervorgehenden Unterhaltspflichten bereits bei der im Rahmen der Bedarfsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen gebotenen Halbteilung berücksichtigt wissen wollte. Auf dieser Grundlage hatte sich der BGH für befugt gehalten, die Unterhaltsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen entscheidend zu vereinfachen, um so auch einem weiteren Ziel der zum 1.1.2008 in Kraft getretenen Unterhaltsrechtsreform entgegenzukommen. Denn in dem Entwurf des zum 1.1.2008 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts war neben dem Ziel einer Verbesserung der Stellung unterhaltsbedürftiger minderjähriger Kinder als weiteres Ziel ausdrücklich die erstrebte Vereinfachung des Unterhaltsrechts genannt.
3. Der BGH hatte deswegen zunächst nacheheliche Veränderungen des unterhaltsrelevanten Einkommens bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen grundsätzlich berücksichtigt. Er hatte zwar daran festgehalten, dass eine nacheheliche Einkommensverbesserung nur dann die ehelichen Lebensverhältnisse i.S.v. §...