Die Entscheidung des BVerfG vom 25.1.2011 hat die Unterhaltsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB gewiss nicht erleichtert.
Der Bedarf des geschiedenen Ehegatten muss zunächst im Wege der Halbteilung ohne Berücksichtigung der Unterhaltspflicht aus einer neuen Ehe des Unterhaltspflichtigen ermittelt werden. Dabei können sich durch die fiktive Herausrechnung des Splittingvorteils und anderer Einkommensbestandteile, die nur wegen der neuen Ehe gezahlt werden, komplizierte Rechenschritte ergeben, auch wenn es bei gleich- oder vorrangigen neuen Ehegatten letztlich wegen der eingeschränkten Leistungsfähigkeit nicht darauf ankommt.
Das BVerfG hat die Rechtsprechung des BGH zur Bedarfsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen unter Anwendung der Dreiteilung nicht deswegen für verfassungswidrig erklärt, weil diese gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstoße. Vielmehr hat es ausdrücklich darauf hingewiesen, dass einander nachfolgende Ehen durch das Grundgesetz gleichrangig und gleichwertig geschützt werden. Dem Gesetzgeber gibt das BVerfG sogar ausdrücklich freie Hand, indem es abschließend ausführt: "Sofern der Gesetzgeber die Bestimmung des Unterhaltsbedarfs eines geschiedenen Ehegatten nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB oder die Art der Unterhaltsberechnung insbesondere bei aufeinander folgenden ehelichen Unterhaltsverbänden einer Änderung unterziehen will, ist es seine Sache, per Gesetz die Kriterien und Berechnungsweisen dafür vorzugeben."
Dies sollte der Gesetzgeber im Hinblick auf das von ihm selbst im Rahmen der Unterhaltsrechtsreform 2008 benannte Ziel einer Vereinfachung des Unterhaltsrechts aufgreifen. Dort hat der Gesetzgeber ausgeführt:
Zitat
"Das Unterhaltsrecht beschränkt sich in weiten Teilen auf konkretisierungsbedürftige Grundaussagen und Generalklauseln. Der Gesetzgeber gibt den Gerichten damit bewusst einen relativ breiten Spielraum, um dem konkreten Einzelfall nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten gerecht zu werden. Die Gerichte orientieren sich dabei an Leitlinien der Oberlandesgerichte, die zur Rechtsvereinheitlichung und zum Rechtsfrieden ganz erheblich beitragen. Diese Grundkonzeption hat sich in der Vergangenheit bewährt und soll beibehalten werden. Die gesellschaftlichen Veränderungen verlangen aber in einigen wesentlichen Punkten eine Anpassung des Rechts und eine Änderung der Maßstäbe, anhand derer die Gerichte den Einzelfall zu entscheiden haben. Der Entwurf lässt sich dabei vor allem von drei Zielen leiten: Der Förderung des Kindeswohls, der Stärkung der Eigenverantwortung nach der Ehe und der Vereinfachung des Unterhaltsrechts …"
Wenn der Gesetzgeber diesen Gedanken aufgreifen und das Recht des nachehelichen Unterhalts weiter vereinfachen will, würde es genügen, § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB zu ergänzen. Der Vorschrift könnte – wie schon im Rahmen der Leistungsfähigkeit nach § 1581 Abs. 1 Satz 1 BGB – der Halbsatz "unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen" hinzugefügt werden. Zugleich sollte ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass dabei die Rangfolge mehrerer Unterhaltsansprüche zu berücksichtigen ist. Eine solche Gesetzesänderung würde dem BGH die Fortsetzung seiner Rechtsprechung zur Vereinfachung des Unterhaltsrechts ermöglichen.
Autor: Hans-Joachim Dose , Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof