Der Bedarf der Reichen und Schönen und der BGH
Der BGH hat jüngst (18.1.2012 – XII ZR 178/09, NJW 2012, 1144) eine unter mehreren Aspekten interessante Entscheidung getroffen:
Zugrunde liegt ein unterhaltsrechtlicher Sachverhalt, in dem es um die Facetten des Anspruchs einer unterhaltsberechtigten Ehefrau geht, die nach 25-jähriger Ehe ihren konkret ermittelten Bedarf von ihrem "unbegrenzt leistungsfähigen" Ehemann begehrt.
Nun sind Unterhaltsverfahren, in denen man mit solchen Anspruchsgegnern zu tun hat, nicht nur gebührenrechtlich interessant, sondern auch ziemlich selten.
Wen wundert's, dass dann die konkrete Bedarfsberechnung nicht nur zuweilen recht bunte Blüten, sondern auch den Streitwert in die Höhe treibt.
Zur konkreten Bedarfsberechnung gibt es nicht allzu viele Entscheidungen, weil es nur selten bei den Reichen zu streitigen Verfahren kommt. Viel häufiger sind die außergerichtlichen Regelungen, weil dann nicht alles gerichtsöffentlich gemacht werden muss und steuerliche Aspekte jenseits der Alpen bleiben können.
Einig ist man sich im Wesentlichen in Rechtsprechung und Lehre, dass ab einer gewissen Einkommensgrenze nicht mehr nach Quote gerechnet werden kann und soll, sondern eine konkrete Bedarfsberechnung stattzufinden hat. Diese Meinung hat auch in die Unterhaltsleitlinien der meisten Oberlandesgerichte Eingang gefunden. Es gibt zwar vereinzelt Versuche, hier eine Zahl zu finden, ab der konkret ermittelt werden soll (sog. relative Sättigungsgrenze – mehr als die höchste Gruppe der DT), eine feste Richtschnur ist dies jedoch nicht.
Entsprechend dem Grundsatz, dass die ehelichen Lebensverhältnisse unterhaltsbestimmend sind, werden alle diese Verhältnisse bestimmenden Faktoren des Lebens auch bedarfsprägend: dazu gehören in erster Linie die reinen "Lebensmittelkosten", Wohnen mit zweiter Miete, den Nebenkosten, Kleidung, Geschenke, Haushalts- und/oder Gartenhilfe, Urlaub, sportliche Aktivitäten (wobei auch die Haltung eines Reitpferdes dazugehört), Ausgaben für Kulturelles, Pkw, Kranken- und sonstige Versicherungen etc.
Und hier wird die Entscheidung des BGH interessant (ab Rn 42):
Kosmetikaufwendungen in Höhe von 105 EUR monatlich sind in der Tat nicht zu beanstanden, geben allerdings zu Zweifeln Anlass, ob die Höhe dieser Aufwendungen nicht ursächlich sein könnte für die später auftretenden zwangsläufigen altersbedingten Erscheinungen und die daraus resultierende Notwendigkeit von Schönheitsoperationen.
Unterhaltsrechtlich ist mutwillig herbeigeführte Bedürftigkeit ein Grund für die Versagung von Leistungen, mithin kann in der zu geringen Bemessung von kosmetischen Ausgaben durchaus der Grund gelegt werden für spätere Sonderbedarfskosten, etwa die Beseitigung von Falten durch aufwändiges Lifting.
Zwar stellt der BGH hier auf die jeweiligen zukünftigen Einzelfälle ab, es sollte jedoch den Anfängen gewehrt werden und das Gericht hier zulässigerweise die Prozessparteien auf die Folgen zu niedrig bemessener Kosmetikaufwendungen hinweisen.
Nicht vertretbar ist, dass der BGH der Ehefrau die Kosten des Zigarettenkonsums als laufenden Bedarf zuerkennt, andererseits jedoch die Kosten künftiger Schönheitsoperationen als Mehrbedarf ablehnt. Zwar wird das Rauchen von weltführenden Gesundheitsorganisationen als Sucht anerkannt und unterscheidet sich insoweit nicht von Alkohol und Drogen; das Rauchen kostet den Steuerzahler auch wegen der direkten und indirekten Folgekosten jährlich 24,9 Milliarden EUR. Rauchen wirkt sich jedoch bekanntermaßen negativ auf die Hautbeschaffenheit aus und gibt sozusagen eine Garantie für Schönheitsoperationen im Gefolge. Deshalb kann die konsequente Folge nur sein: Wer rauchen darf, sozusagen mit Gerichtserlaubnis, dem stehen auch Schönheitsoperationen als Mehrbedarf zu.
Der BGH sollte daher überlegen, ob nicht doch eine Sättigungsgrenze eingeführt werden sollte, damit zumindest die Kosten für Fettabsaugen entfallen.
Autor: Linde Kath-Zurhorst
Linde Kath-Zurhorst, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, Kürten