Zugleich Besprechung von OLG Hamm, Urt. v. 6.2.2013 – I-14 U 7/12
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Das OLG Hamm hat im Fall Sarah P. einem Samenspenderkind gegenüber dem Arzt der Kinderwunschklinik einen Anspruch auf Nennung des Namens des Samenspenders zuerkannt. Der nachfolgende Beitrag behandelt die Grundlagen dieses Anspruchs, die Folgen für Samenspender und die Gestaltung von Kinderwunschverträgen.
I. Heterologe Befruchtung und Kinderwunscherfüllung
1. Die klassische "heterologe" Insemination
Aufgrund der veränderten Familienphasen erfolgt die Erfüllung des Kinderwunsches häufig erst im vierten oder sogar fünften Lebensjahrzehnt. Da zu diesem Zeitpunkt die Fertilität bereits stark zurückgegangen ist, benötigen viele Paare die Hilfe der modernen Reproduktionsmedizin. Ist der Mann unfruchtbar, kann der Kinderwunsch nur mittels einer Samenspende realisiert werden. Auch lesbische Paare, die ein Kind wünschen, sind auf anonyme Samenspenden oder eine Samenspende aus dem Bekanntenkreis, in vielen Fällen von befreundeten schwulen Männern, angewiesen. Unerheblich ist dabei, ob der Vorgang in corpore, d.h. durch Einbringung in den Genitaltrakt der Frau, oder in vitro, d.h. im Reagenzglas, vorgenommen wird. Der heterologen Befruchtung verwandt sind der geduldete Geschlechtsverkehr mit einem (unbekannten) Dritten, der zur Schwangerschaft führt, die verhinderte zulässige Abtreibung nach einem Geschlechtsverkehr mit einem Dritten und die Selbstvornahme der Befruchtung durch die betreffende Frau mit dem Sperma eines Spenders. Sämtliche Fälle ähneln der Kinderwunscherfüllung durch Annahme eines Kindes. Auf diesen Zusammenhang hat der BGH in einer ersten Entscheidung zur heterologen Insemination bereits hingewiesen.
Das Gesetz behandelt die Probleme der heterologen Insemination im BGB nur in einer Vorschrift. Nach § 1600 Abs. 5 BGB können der Mann und die Mutter, die der künstlichen Befruchtung mittels Samenspende zugestimmt haben, die Vaterschaft des in die Fremdbefruchtung einwilligenden Mannes, der zweifelsohne wegen der Verwendung eines fremden Spermas nicht der biologische Vater des so gezeugten Kindes ist, nicht anfechten. Dies gilt unabhängig davon, ob die Insemination durch einen Arzt oder auf andere Weise erfolgt. Die (rechtlichen) Eltern haben ebenso wie bei einer "natürlichen" Zeugung gegenüber dem Kind die Verantwortung übernommen. Diese Verantwortungsübernahme ist Grund für den Ausschluss des Anfechtungsrechts. Nach anderer Ansicht ist den Eltern die Anfechtung der Vaterschaft untersagt, da sie sich widersprüchlich verhalten würden. Demgegenüber hat das Kind ein Anfechtungsrecht, das spätestens mit dessen Volljährigkeit zur Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft führen kann. In einem zweiten Schritt kann es, wenn es den Namen des Samenspenders kennt, dessen Vaterschaft gerichtlich feststellen lassen. Dieser ist dann auch rechtlicher Vater mit allen Rechten und Pflichten, insbesondere mit unterhalts- und erbrechtlichen Konsequenzen.
2. Die quasi-heterologe Insemination
a) Hetero-Paare
Der Ehemann der Frau ist aufgrund der Ehe der rechtliche Vater des mit seinem Einverständnis durch heterologe Insemination gezeugten Kindes (§ 1592 Nr. 1 BGB). Diese Automatik gibt es nicht, wenn ein in eheähnlicher Gemeinschaft mit der Mutter lebender Mann einer heterologen Insemination zustimmt. Er wird Vater erst durch Anerkennung der Vaterschaft (§ 1592 Nr. 2 BGB). Diese ist auch bei einem Mann möglich, der nicht der genetische Vater des Kindes ist. Ein Vaterschaftsanerkenntnis kann auch vom Nicht-Vater abgegeben werden. Die statusrechtlichen Wirkungen treten, wenn keine andere rechtliche Vaterschaft besteht, unabhängig von der biologischen Abstammung ein. Allerdings besteht bis zur Anerkennung für die künstlich befruchtete Lebensgefährtin keine Sicherheit, dass bei ihrem Partner nicht ein Sinneswandel eintritt. Eine präkonzeptionelle Vaterschaftsanerkennung ist nach überwiegender Ansicht nicht zulässig. Hiervon möchte eine im Vordringen befindliche Ansicht in der Literatur allerdings für den Fall der heterologen Befruchtung eine Ausnahme machen. Nur bei Zulässigkeit einer präkonzeptionellen Vaterschaftsanerkennung kann für die betreffende Frau und ihr durch heterologe Insemination gezeugtes Kind Rechtssicherheit geschaffen werden. Die Sicherung durch den Ausschluss der Anfechtbarkeit gemäß § 1600 Abs. 5 BGB setzt nämlich das Bestehen der Vaterschaft oder – wie bei Ehepaaren – eine diesbezügliche Automatik voraus.