Beispiel:
Nach Scheidung der Ehe verlangt die Antragstellerin von dem Antragsgegner die Herausgabe verschiedener Schmuckstücke. In der Antragsschrift heißt es: Namens und in Vollmacht der Antragstellerin beantragen wir,
1. den Antragsgegner zu verpflichten, an die Antragstellerin folgende Schmuckstücke herauszugeben:
7 Ketten, 2 Ringe, 8 x ¼-Gold, 10 x ½-Gold, 4 x Vollgold, 14 x Armreifen Rotgold, 15 x Armreifen Grüngold, 1 x Grüngold-Set;
2. den Antragsgegner zu verpflichten, an die Antragstellerin einen Betrag von 19.700 EUR zu zahlen, falls die Herausgabe verweigert wird.
Der Antragsgegner bestreitet die angegebene Menge sowie den Wert der verlangten und nicht näher bezeichneten Schmuckstücke, ferner seinen Besitz. In der mündlichen Verhandlung (Haupttermin) weist das Gericht darauf hin, dass die Gegenstände nicht hinreichend konkret bezeichnet sein dürften. Die Antragstellerin bietet daraufhin Beweis für den Besitz des Antragsgegners durch Vernehmung einer Zeugin an. Es folgt eine Beweisaufnahme. Nachdem Einigungsbemühungen scheitern, wird der Antrag auf Herausgabe und hilfsweise auf Zahlung vom Gericht durch Beschluss, der in einem Verkündungstermin bekannt gegeben wird, abgelehnt. Mit der Beschwerdeschrift führt die Antragstellerin im Einzelnen auf, um welche Schmuckstücke es sich genau handelt, wie viel Karat sie haben, welchen Wert sie haben, von wem sie geschenkt worden sind und zu welchem Zeitpunkt der Antragsgegner sie in Besitz genommen hatte und bietet hierfür eine Reihe von Zeugen an. Der Antragsgegner rügt den Vortrag als verspätet.
In der Praxis häufig zu beobachten sind die Fälle, in denen der Anspruchsteller die korrekte Einordnung des Verfahrens als Kindschaftssache, Unterhaltssache oder sonstige Familiensache vernachlässigt. Das hat zur Folge, dass die anzuwendenden Verfahrensvorschriften nicht oder nicht genügend beachtet werden. Handelt es sich um eine Familiensache der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 266 Abs. 2 FamFG), hat eine unterlassene Einordnung des Verfahrens in der Regel keine nachteiligen Folgen für den Antragsteller. Denn für diese Verfahren gelten die Vorschriften des Allgemeinen Teils im Buch 1 des FamFG, mithin auch der in § 26 FamFG niedergelegte Amtsermittlungsgrundsatz. Danach hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.
Anders ist dies jedoch in den Familienstreitsachen nach § 266 Abs. 1 FamFG. Hier gelten nach § 113 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG mit den dort geregelten Ausnahmen die Grundsätze der §§ 1 bis 494a ZPO für das Erkenntnisverfahren. Besondere Bedeutung hat der Verhandlungsgrundsatz, auch als Beibringungsgrundsatz bezeichnet. Nach diesem Grundsatz hat das Gericht seiner Entscheidung nur das Tatsachenmaterial zugrunde zu legen, das von den Beteiligten vorgetragen ist. Übereinstimmend Vorgetragenes oder Zugestandenes muss das Gericht grundsätzlich ohne Beweisaufnahme übernehmen, auch wenn es Zweifel an der Richtigkeit hat. Bei Unklarheiten ist das Gericht nach § 139 ZPO verpflichtet, durch Erörterung, Hinweise und Fragen auf eine Konkretisierung und Ergänzung des Sachvortrags hinzuwirken. Dabei wird der Verhandlungsgrundsatz dadurch gewahrt, dass es grundsätzlich den Beteiligten überlassen bleibt, hierauf zu reagieren. Das Gericht hat sich auf die Aufklärung des Sachverhalts zu beschränken, der durch die Tatsachenbehauptung der Beteiligten zum Verfahrensgegenstand gemacht wurde. Es darf nicht durch gezieltes Fragen darauf hinwirken, dass ein Beteiligter sein Verfahrensziel auf eine andere Tatsachenbasis stützt.
Ein Sachvortrag, der wegen mangelnder Konkretisierung vom Gericht als nicht schlüssig angesehen wird, kann auf entsprechenden Hinweis des Gerichts nachgebessert werden. Auch wenn nach § 139 Abs. 4 ZPO verfahrensleitende Hinweise möglichst früh erteilt werden sollen, reicht es aus, diese Hinweise in der mündlichen Verhandlung zu erteilen. Wird ein Hinweis erst in der mündlichen Verhandlung gegeben und ist der Beteiligte nicht in der Lage, hierauf sofort eine Äußerung abzugeben, hat er die Möglichkeit, eine Schriftsatzfrist zu beantragen, um auf den Hinweis reagieren zu können. Möglich sind auch eine Vertagung oder ein Übergang ins schriftliche Verfahren. Gibt der hingewiesene Beteiligte in der mündlichen Verhandlung eine Erklärung ab, hat das Gericht sie zu verwerten. Stellt dieser Beteiligte danach keinen verfahrensrechtlichen Antrag auf Vertagung oder Einräumung einer Schriftsatzfrist, sondern lediglich einen Sachantrag, kann das Gericht davon ausgehen, dass weiterer Vortrag nicht möglich oder nicht beabsichtigt ist und nach dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung bestehenden Sach- und Streitstand entscheiden.
Die mangelnde Konkretisierung des Sachvortrags kann durch den Antragsteller nach einer den Antrag ablehnenden Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts in der Beschwerdeinstanz grundsätzlich nur nach Maßgabe des § 115 FamFG nachgeholt werd...