1. Die Entscheidung behandelt auf den ersten Blick Fragen des Elternunterhalts, insbesondere die Anwendung des sog. Familienselbstbehaltes auf nichteheliche Lebensgemeinschaften. Auf den zweiten Blick enthält die Entscheidung aber auch Aussagen zu den Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs aus § 1615 l Abs. 2 BGB über einen Zeitraum von drei Jahren ab der Geburt hinaus.
Der Verpflichtete wurde durch den Sozialhilfeträger aus übergegangenem Recht auf Elternunterhalt in Anspruch genommen. Er lebt in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, aus der eine Tochter hervorgegangen ist. Die Lebensgefährtin des Antragsgegners war geschieden. Aus dieser Ehe stammen zwei weitere minderjährige Kinder, die ebenfalls im Haushalt betreut werden.
2. Der BGH bestätigt die bereits durch die Vorinstanz vertretene Auffassung, dass der Familienselbstbehalt auf nichteheliche Lebensgemeinschaften nicht anwendbar ist. Er wiederholt zunächst seine ständige Rechtsprechung, wonach der Elternunterhaltsanspruch vergleichsweise schwach ausgestaltet ist und dem Unterhaltspflichtigen ein Anspruch zusteht, seinen eigenen angemessenen Lebensunterhalt zu sichern. Ihm sollen grundsätzlich die Mittel verbleiben, die er zur angemessenen Deckung des seiner Lebensstellung entsprechenden allgemeinen Bedarfs benötigt. Hierbei ist auf die Lebensstellung, das Einkommen, das Vermögen und den sozialen Rang des Verpflichteten, mithin seinen gesamten individuellen Lebensbedarf, abzustellen. Gleichzeitig ist in der Regel eine Bemessung nach den Umständen des Einzelfalls erforderlich. Hierbei soll der Verpflichtete keine dauerhafte Senkung seines berufs- und einkommenstypischen Lebensstandards hinnehmen, solange er kein Leben im Luxus führt.
Im Rahmen dieser Berechnungen wendet der BGH, und dementsprechend die Leitlinien, bei Verheirateten den sog. Familienselbstbehalt an, der mit dem doppelten angemessenen Selbstbehalt beim Elternunterhalt berechnet wird, abzüglich einer Ersparnis aus dem Vorteil des Zusammenlebens mit 10 % (aktuell Verpflichteter 1.800,00 EUR, Ehegatte 1.440,00 EUR, zusammen 3.240,00 EUR). Das darüber hinausgehende Einkommen wird im Falle eines ehelichen Zusammenlebens mit 45 % freigestellt, wodurch wiederum eine Haushaltsersparnis mit 10 % berücksichtigt ist. Für den Pflichtigen wird hieraus der sogenannte individuelle Familienbedarf errechnet, mithin sein Anteil zur Sicherstellung des Familienselbstbehalts. Nur der darüber hinausgehende Betrag seines Einkommens steht für die Bedienung unterhaltsrechtlicher Ansprüche der Eltern zur Verfügung. Damit wird lediglich auf den hälftigen Anteil des Betrages abgestellt, der den Mindestselbstbehalt übersteigt. Hierdurch gibt es eine wechselseitige Beeinflussung zwischen dem Familienunterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen und dem Elternunterhalt, da dieser eheprägend zu berücksichtigen ist.
Auch wenn die nichteheliche Lebensgemeinschaft in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG fällt, weil sich hieraus auch die Freiheit über die Art und Weise der Gestaltung des familiären Zusammenlebens ableitet, ist grundsätzlich eine unterschiedliche Behandlung der Ehe und der nichtehelichen Lebensgemeinschaft möglich. Aufgrund des verfassungsrechtlichen Schutzes und des Förderauftrags in Bezug auf die Ehe wegen der rechtlich verbindlichen und besonderen Art und Weise der gegenseitigen Einstandspflichten kann eine Begünstigung zu anderen Lebensformen begründet sein. Auf der anderen Seite verlangt Art. 6 Abs. 1 GG nicht, dass andere Institutionen oder Lebensformen behindert werden oder sichergestellt werden muss, dass sie hinter der Ehe zurückstehen. Die Norm bietet keine Grundlage für Rechtsfolgen (sozial-) gestaltender Art, die für die Ehe stets Vorteile bringt, aber anderen Beziehungsformen Nachteile zuweist. Gleichwohl vertritt der BGH die Auffassung, dass die Grundaussage des Art. 6 Abs. 1 GG in Bezug auf die Ehe eine sachliche Differenzierung begründen kann, da sich aus der nichtehelichen Lebensgemeinschaft in der Regel ein geringeres Maß an wechselseitiger Pflichtenbindung ergibt. Deshalb beruhe der Familienselbstbehalt auf der Voraussetzung, dass Ehegattenunterhalt gezahlt wird, wobei dieser gemäß § 1609 BGB gegenüber dem Elternunterhalt vorrangig ist.
Damit ist es in Bezug auf die Ehe zutreffend, dass sich Unterhaltsansprüche des Ehegatten an den ehelichen Lebensverhältnissen orientieren. Aus den gleichen Gründen ist es auch nicht zu beanstanden, dass der Bedarf des unterhaltsberechtigten nichtehelichen Lebenspartners aus § 1615 l BGB ausschließlich an seiner eigenen Lebensstellung gemäß § 1610 BGB orientiert wird. Hieraus ergibt sich folgerichtig, dass ein Betreuungsunterhalt von einem Elternunterhaltsanspruch unberührt bleibt, aber auch der Elternunterhalt nicht unter Beachtung eines Familienselbstbehaltes zu ermitteln ist.
Gleichwohl muss dieser Betreuungsunterhaltsanspruch als sonstige Verpflichtung i.S.v. § 1603 Abs. 1 BGB vorab vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen abgezogen werden. Ebenso müs...