Es dauert immer einige Zeit, bis sich die Rechtsprechung an veränderte gesellschaftliche Verhältnisse anpasst; das liegt in der Natur der Sache. Lange Zeit bildete die Hausfrauenehe – trotz der dargestellten Änderungen des Gesetzes seit 1977 – auch weiterhin das Leitbild im Unterhaltsrecht mit der Folge, dass der Bedarf der Frau allein nach den Einkünften des Mannes bemessen wurde. Dies hatte die für die Ehefrau ungünstige Folge, dass zum einen (im Vergleich zum Fall mit eigener Erwerbstätigkeit der Frau) ein niedriger Bedarf anzunehmen war, zum anderen, dass die nach Scheidung von der Ehefrau erzielten Einkünfte im Wege der Anrechnungsmethode berücksichtigt wurden.
Diese Rechtsprechung wurde – nicht nur wegen der erheblichen Differenzen, zu denen die unterschiedlichen Berechnungsmethoden führten – schon sehr frühzeitig kritisiert. Diese Kritik setzte sich später fort. In erster Linie wurde ein Verstoß der Rechtsprechung gegen das verfassungsrechtliche Benachteiligungsverbot beanstandet. Die Differenzierung der Rechtsprechung in Gestalt der Unterscheidung von Hausfrauen- und Doppelverdienerehe stand außerdem in Widerspruch dazu, dass Haushaltsführung und Kindesbetreuung unterhaltsrechtlich mit einer Erwerbstätigkeit gleich zu bewerten sind, was sich aus § 1360 S. 2 BGB ergibt. Die frühere Rechtsprechung hat dagegen generell den geldwerten Charakter der Hausfrauenarbeit verneint.
Auch dem BGH war nicht verborgen geblieben, dass die unterhaltsberechtigte Ehefrau nach der Anrechnungsmethode den während der Ehe geltenden Lebensstandard nicht aufrechterhalten konnte. Sie wurde dauerhaft – etwa nach der Devise "einmal Anrechnungsmethode, immer Anrechnungsmethode" – benachteiligt als Folge des Umstandes, dass sie während des Zusammenlebens keine Erwerbstätigkeit ausgeübt hatte. Damit stand sie auf Dauer deutlich schlechter als der Schuldner. Erzielte sie nach der Scheidung auch nur geringe Einkünfte, konnte der Schuldner mehr als die Hälfte seines Einkommens (bei Erwerbseinkommen mehr als 4/7) behalten, während die Berechtigte auf höchstens 50 % des Einkommens des Schuldners (bei Erwerbseinkommen auf 3/7) beschränkt war. Sie konnte diese ungünstigere Quote auch durch eigene Einkünfte nicht verbessern, da diese auf den Quotenunterhalt angerechnet wurden. Die Rechtsprechung benutzte die Rechtsfigur des trennungsbedingten Mehrbedarfs dann vor allem dazu, die ungünstigen Auswirkungen der Anrechnungsmethode abzumildern. Eine grundlegende Veränderung gab es aber erst durch das "Hausfrauen-Urteil" des BGH Mitte 2001 (siehe dazu sogleich unter II. 1).