Der EGMR hielt eine Versagung des Kenntnisrechts im Rahmen des den Vertragsstaaten zustehenden Ermessensspielraums für legitim, wenn der staatliche Gesetzgeber eine ausgewogene Abwägung der möglicherweise entgegenstehenden Interessen anderer betroffener Personen vorgenommen hat. So hat er 2003 die französische Regelung zum "accouchement sous x", also zur anonymen Geburt, trotz der für das Kind nicht erreichbaren Auskünfte über seine Geburtsmutter für konventionsgerecht gehalten, weil dem Kind wenigstens die nichtidentifizierenden Informationen zur Verfügung stehen, eine spätere Identifizierung der Mutter mit ihrer Zustimmung möglich bleibt und der Schutz der Schwangeren sowie der Schutz der Adoptionsfamilie ein legitimes Ziel verfolgen. Die bereits erwähnte deutsche Regelung über die vertrauliche Geburt dürfte diesem Maßstab entsprechen. Fehlt es hingegen an einem fairen Abwägungsprozess der entgegenstehenden Interessen und handelt es sich um eine generelle Versagung der Kenntnisnahme – wie sie die italienische Regelung der anonymen Geburt vorsah –, dann liegt eine Konventionsverletzung vor – so der EGMR im Jahre 2012 im Fall Godelli gegen Italien.
Die Interessen der Familie des mutmaßlichen biologischen Vaters bilden jedenfalls dann keine legitimen Verweigerungsgründe, wenn der mutmaßliche biologische Vater bereits verstorben ist. Der EGMR hat sich sogar in einem allerdings besonders gelagerten Fall dahin geäußert, dass der Schutz der Interessen des mutmaßlich biologischen Vaters allein nicht ausreichen kann, um dem betroffenen Kind seine Rechte nach Art. 8 EMRK zu nehmen.
Nach der Rechtsprechung des EGMR können des Weiteren weder das Bestehen einer anderweitigen rechtlichen Vaterschaft noch eine frühere Entscheidung über die Abstammung dieses Kenntnisrecht grundsätzlich ausschließen. Für den EGMR spielt also das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner eigenen Abstammung eine große Rolle. In vielen Fällen, mit denen sich das Gericht beschäftigt hat, war diese Frage gleichzeitig mit einer Statusbegründung bzw. Statusänderung verbunden. Dies wirft zusätzliche Probleme insbesondere hinsichtlich der Bestandsfestigkeit sozial-familiärer Beziehungen auf.
Das Bestehen sozial-familiärer Beziehungen hat die Rechtsprechung aber nicht grundsätzlich gehindert, dem Kenntnisrecht besonderes Gewicht zu verleihen. Zwar leitet der EGMR aus Art. 8 EMRK keine Pflicht der Vertragsstaaten zur Einführung einer separaten Klage auf Feststellung der biologischen Vaterschaft her, er hat sich aber keineswegs gegen eine solche Regelung ausgesprochen. Vielmehr gibt er in verschiedenen Entscheidungen zu erkennen, dass eine statusunabhängige Feststellung der biologischen Verbindung dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung dienen würde.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner jüngsten Entscheidung eine solche isolierte Feststellung zwar nicht für verfassungsmäßig geboten gehalten, es ordnet sie aber dennoch als verfassungsrechtlich unbedenklich ein. Die Einführung eines solchen Verfahrens könnte sowohl der Bestandsfestigkeit sozial-familiärer Beziehungen als auch der Klärung der biologischen Wahrheit dienen.