Mit dieser wichtigen Entscheidung – einem Urteil in einer allgemeinen Zivilsache – hat der XII. Senat des Bundesgerichtshofs zunächst zwei grundsätzliche Fragen beantwortet:
1. Ist der Abschluss eines Versicherungsvertrages als Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs i.S.v. § 1357 Abs. 1 S. 1 BGB anzusehen bzw. unter welchen Voraussetzungen?
2. Fällt auch die Kündigung eines solchen Versicherungsvertrages unter § 1357 Abs. 1 S. 1 BGB?
Nach herrschender Meinung hat § 1357 BGB lediglich schuldrechtliche Auswirkungen. Er regelt die Berechtigung und Verpflichtung beider Ehegatten durch rechtsgeschäftliches Handeln nur des einen. Die Vorschrift führt also nicht zum Erwerb von Miteigentum kraft Gesetzes, hat also keine dingliche Wirkung. Dennoch gestattet die Entscheidung auch einen übergeordneten Blick auf eine zentrale Frage der Vermögensauseinandersetzung im Scheidungsfall: Unter welchen sonstigen Voraussetzungen konnte der nicht nach außen in Erscheinung tretende andere Ehegatte Eigentum am Kraftfahrzeug erwerben? Eine Frage, die in der Regel erst bei Trennung oder Scheidung virulent wird.
Sachverhalt
Es handelte sich um einen Rechtsstreit aus einem Vollkaskoversicherungsvertrag. Zum Haushalt der Ehegatten gehörte ein Pkw BMW 525d als Familienfahrzeug. Alleineigentümer war M, auf den das Fahrzeug auch zugelassen war. Für dieses war ursprünglich von F ein Vollkaskoversicherungsvertrag mit Selbstbeteiligung abgeschlossen worden, den M am 22.12.2014 mit Wirkung zum 1.1.2015 kündigte, und zwar, selbst unterzeichnend und ohne Vertretungszusatz, auf dem Briefbogen seiner Ehefrau. Der beklagte Versicherer erteilte am 22.12.2014 einen entsprechenden neuen Versicherungsschein mit Widerrufsbelehrung.
Am 5.10.2015 wurde das Fahrzeug bei einem selbst verschuldeten Unfall beschädigt. Am 14.1.2016 widerrief F die von M am 22.12.2014 erklärte Kündigung. Ihre Klage auf Zahlung der Nettoreparaturkosten abzüglich Selbstbeteiligung zuzüglich Rechtsanwaltskosten blieb in allen drei Instanzen erfolglos.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts
Zum Unfallzeitpunkt (5.10.2015) habe kein Versicherungsschutz mehr bestanden, denn M habe das Vertragsverhältnis mit Wirkung für F zum 1.1.2015 gekündigt gehabt. § 1357 BGB ermächtige jeden Ehegatten für sich allein nicht nur zur Begründung von Rechten und Pflichten mit Wirkung auch für seinen Partner, sondern auch zur Änderung mit Wirkung für beide Ehegatten, jedenfalls unter den hier vorliegenden Voraussetzungen. Daraus folge auch das Recht zur Kündigung.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Ohne dass es in der Entscheidung ausgeführt wurde, ergibt sich die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs, der durch Urteil entschieden hat, aus Ziffer 1.b. des Geschäftsverteilungsplans für 2017. Danach waren dem XII. Senat die Rechtsstreitigkeiten "aus Familienrecht", hier aus § 1357 BGB, zugewiesen.
Der Entscheidung liegen folgende Feststellungen und Erwägungen zugrunde:
Eine rechtliche Stellvertretung der F durch M nach §§ 164 ff. BGB
Obwohl M im Namen der F handelte, indem er deren Briefbogen verwendete, ist ihr seine Kündigungserklärung nicht nach § 164 ff. BGB zuzurechnen, denn er hatte keine Vertretungsmacht:
F hatte weder eine ausdrückliche Bevollmächtigung des M noch die Voraussetzungen einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht auch nur dargelegt.
F war durch M aber auch nicht gesetzlich vertreten. Eine gesetzliche Vertretung unter Ehegatten kennt das Bürgerliche Recht nicht.
§ 1357 BGB
Allerdings ergibt sich die Wirksamkeit für F der von M erklärten Kündigung aus § 1357 BGB. Die Herleitung aus der Vorschrift bildet den Schwerpunkt der Entscheidung. § 1357 BGB ist nicht nur rechtspolitisch nicht unumstritten. Vielmehr liegt zum Tatbestandsmerkmal "Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs" eine umfangreiche Kasuistik vor.
Geht es um die Kündigung eines Rechtsgeschäfts, überhaupt um Gestaltungserklärungen, gelangt § 1357 BGB nur dann zur Anwendung, wenn auch das Grundgeschäft unter die Vorschrift fällt. Diese Frage war daher vom Bundesgerichtshof für Vollkaskoversicherungen vorab zu klären. Hierbei spielt der "Lebensbedarf" als unterhaltsrechtlicher Begriff eine maßgebliche Rolle (§§ 1360, 1360a BGB). Es kommt darauf an, wie weit der nach außen erkennbare Lebensbedarf der Familie im Einzelfall reicht. § 1357 BGB kann insoweit Wirkungen entfalten, die über das, was sich die jeweilige Familie eigentlich leisten kann, hinausgehen.
In vergleichender Betrachtung zu Nebenkostenabrechnungen, Bauverträgen über ein Wohnhaus, Stromlieferungsverträgen, Telefondienstverträgen und Verträgen über Arztbehandlungen gelangt der Bundesgerichtshof zur Feststellung, dass Versicherungsverträge nicht von vornherein aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausgenommen werden können (was in Rechtsprechung und Literatur umstritten war und nun grundsätzlich entschieden ist). Es muss nur ein "ausreichender Bezug zu Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360a BGB gegeben" sein. Es ist daher bei der anwaltliche...