Die Geburt eines Kindes ist nicht nur für die jungen Eltern ein neuer Lebensabschnitt, sondern verschiebt das Beziehungsgefüge der ganzen Familie, in dem sich auch Großeltern neu orientieren müssen. Es entsteht im Idealfall ein engmaschiges Netz, bei dem sich wiederum alle Beziehungen wechselseitig beeinflussen. Die Beziehungen sind sehr komplex. Denn hinter den genannten Gruppen stehen jeweils mehrere Erwachsene und es muss sich nicht alles auf ein Enkelkind konzentrieren. Diese Beziehungen sind wiederum keine Konstanten, sondern können sich jederzeit und gelegentlich auch dramatisch verändern – zum Guten wie zum Schlechten.
a) Großeltern – Kinder – Enkel
Zu Beginn des letzten Jahrhunderts hieß es noch: Verwöhnende Großeltern untergraben die elterliche Autorität und sind auch körperlich ihren Enkeln nicht gewachsen. Dieses negative Bild ist nur noch Geschichte. Genauso einhellig wie der familiäre Zusammenhalt wird heute der positive Einfluss von Großeltern auf die Sozialisation ihrer Enkel beschrieben. Sie sind verlässlich, ihnen vertraut und agieren doch anders als die Eltern; sie können das bieten, was in Familien sonst häufig fehlt: Zeit; sie können den Enkeln mehr zuhören, reagieren gelassener und sind meist großzügiger als die Eltern. Gerade wenn sie sich nicht in die Erziehung einmischen, vermitteln sie ihren Enkeln auf eine unaufdringliche Weise eine andere Weltsicht. Übernachtungen bei Oma und Opa oder gemeinsame Urlaube sind wichtige Lebenserfahrungen außerhalb der Kernfamilie. Die Beziehung wird allerdings ungleich wahrgenommen. Während Großeltern in ihren Enkeln die Zukunft sehen, repräsentieren sie für ihre Enkel die Vergangenheit. Durch die Erzählungen der Großeltern erhalten Enkel einen Zugang zu den eigenen Wurzeln und familiären Traditionen. Umgekehrt können Enkel ein Überlegenheitsgefühl erleben, wenn sie ihren Großeltern die Vorstellungen der jüngeren Generation vermitteln oder sie an technische Neuerungen heranführen. Sie entwickeln eine erstaunliche Geduld, wenn sie Oma oder Opa die Möglichkeiten ihres neuen Smartphones erklären sollen. Solche wechselseitigen Erfahrungs- und Lernprozesse sind ein entscheidender Baustein für die generationenübergreifenden Sozialbeziehungen.
Den Zugang zu den Großeltern erhalten die Enkel über ihre Eltern. Dementsprechend hat die Qualität der Beziehung zu den Eltern, d.h. dem eigenen Kind und dem Schwiegerkind, sowie deren Rollenerwartungen einen entscheidenden Einfluss auf das Verhältnis Großeltern – Enkel. Die Geburt eines Enkelkindes kann gute Beziehungen zu den eigenen Kindern verstärken, als Beziehungskitt zuvor bestehende Spannungen abbauen, aber auch bei belasteten Beziehungen zu einer Verschlechterung des Verhältnisses beitragen. Aufgrund der Mittlerrolle der Eltern sind erhebliche Unterschiede in den Beziehungen zu den mütterlichen und väterlichen Großeltern durchaus naheliegend. Sind die Beziehungen gut, sind auch regelmäßige Kontakte zu erwarten. Gibt es innerfamiliäre Konflikte, prägen diese von klein auf das Verhältnis der Enkel zu ihren Großeltern. Günstigstenfalls reduzieren sich solche Kontakte dann auf gelegentliche Anstandsbesuche. Andere Fälle münden früher oder später in einem völligen Kontaktabbruch. Eine junge erwachsene Enkelin berichtet in einem Interview über ihre Beziehungserfahrungen:
Zu den Großeltern mütterlicherseits sei durch "Streitereien" zwischen ihrer Mutter und ihrer Großmutter keine Bindung entstanden. Es gab "nie wirklich irgendwie eine Verbindung"“, Besuche seien auch mehr "Pflichtbesuche" gewesen und nach dem Versterben ihres Großvaters sei der Kontakt zur Großmutter mehr und mehr abgebrochen.
Konflikte um die Kontakte zwischen Großeltern und ihren Enkeln sind keine Seltenheit. Dies zeigt sich in zahlreichen Presseberichten, Internetforen sowie Selbsthilfegruppen wie die "Verstoßenen Großeltern" oder die "Bundesinitiative von Großeltern von Trennung und Scheidung betroffener Kinder". Gegen den Widerstand der eigenen Kinder und Schwiegerkinder können sie aber nur wenig bewirken.
Großeltern müssen sich bewusst sein, dass sie im Verhältnis zu den allein sorgeberechtigten Eltern keine elterliche Verantwortung und kein Mitspracherecht bei der Erziehung haben. Sie sind nicht die besseren Eltern, die über eine kindgerechte Ernährung, musikalische Früherziehung, Feriengestaltung und die geeignete Schule bestimmen können, um sich dann noch mit unangemeldeten Kontrollbesuchen vom Wohlergehen ihrer Enkel zu überzeugen. Treten Großeltern in Konkurrenz zu den Eltern, können sie auf Dauer nur verlieren. Genauso ungern hören es junge Eltern, wenn Großeltern betonen, dass sie nunmehr endlich Zeit für sich haben wollen und es ihnen zu anstrengend sei, die Enkel einmal für ein Wochenende zu sich zu nehmen.
Eine Trennung der Eltern wirkt über die Kernfamilie hinaus. Die Neuorganisation der Familie gefährdet die Beziehung der Enkel zu ihren Großeltern – vornehmlich zu den Großeltern väterlicherseits. Diese berichten gehäuft über eine Einschränkung ...