Speziell den mit einer Trennung der Eltern einhergehenden Beziehungsabbruch zwischen Großeltern und Enkeln hatte der Gesetzgeber im Blick, als er mit dem Kindschaftsrechtsreformgesetz von 1998 auch für Großeltern ein Recht auf Umgang mit ihren Enkeln begründete (§ 1685 Abs. 1 BGB). Nach überwiegender Auffassung hatten Großeltern zuvor für fast 100 Jahre kein eigenes Verkehrs- oder Besuchsrecht. Gleichwohl hatte sich die Rechtsprechung auch schon früher mit diesen Fragen auseinandergesetzt und einen Umgang angeordnet, weil es eine missbräuchliche Ausübung des Sorgerechts sei, wenn Eltern Kontakte zwischen Großeltern und Enkeln verweigerten. Geradezu fortschrittlich mutet dabei ein Beschluss des OLG Köln aus dem Jahr 1961 an:
Zitat
"[Ein] Personensorgeberechtigter, [ist] grundsätzlich gehalten, dem Kind den Verkehr mit nahen Verwandten, … zu ermöglichen. Daß die verwandtschaftlichen Beziehungen der Enkelkinder zu den Großeltern gepflegt und aufrechterhalten werden, liegt nämlich im Interesse der Kinder, weil die Pflege des Familiensinns und der kindlichen Zuneigung zu den Großeltern für sie charakterlich förderlich und von ideellen Vorteilen ist".
Damit hatte das OLG bereits damals die tragenden Erwägungen für das gesetzlich geregelte Umgangsrecht benannt. Eltern haben ihr Erziehungsrecht in einer der gedeihlichen Entwicklung des Kindes dienenden Weise auszuüben. Es geht also nicht um ein subjektives Recht, welches man mit dem familiären Status als Großeltern oder Geschwister erwirbt. Es ist ein dienendes Recht. Dieses besteht deshalb, weil sich soziale Kontakte im familiären Umfeld als förderlich für die kindliche Entwicklung erwiesen haben. Dann sollen sie auch nicht ohne Not unterbunden werden. Letztlich will die Vorschrift einer missbräuchlichen Ausübung des Sorgerechts entgegenwirken. Nur so ist die damit verbundene Intervention in die Erziehungshoheit der Eltern zu legitimieren.
Im Vergleich zum Umgangsrecht der Eltern fällt das von vornherein begrenzte Umgangsrecht der Großeltern auf. Dieses besteht nur, wenn es "dem Wohl des Kindes dient". Zudem ist im Rahmen der weiteren Beratungen nur der Elternumgang als ein subjektives Recht des Kindes ausgestaltet worden. Wirklich in das System des Umgangsrechts passt diese Differenzierung nicht. Denn auch beim Umgang mit den Großeltern geht es um ein Recht des Kindes, das im Interesse seines Wohls umzusetzen ist. Dann sollte es das Gesetz aber auch zum Ausdruck bringen: Mit einer Präzisierung des Gesetzes ließen sich schon im Vorfeld die immer wieder auftauchenden Missverständnisse über den Sinngehalt der Vorschrift und die Rechtsposition der Großeltern ausräumen. In der Vergangenheit gab es zwar Versuche, diese Unstimmigkeiten zu beseitigen. Im Bundesrat gab es eine breite Zustimmung, im Bundestag fand sich jedoch keine parlamentarische Mehrheit. Im Sozialrecht gelten Wünsche nach persönlichen Kontakten zwischen den Generationen ebenfalls nicht als dringlich. Großeltern ist kein Mehrbedarf zur Wahrnehmung eines Umgangs mit ihren Enkeln zuzubilligen.
Die Gerichtspraxis ist verhältnismäßig selten mit dem Umgangsrecht der Großeltern befasst. Viele Umgangsverfahren folgen aus einer schwierigen, von wechselseitigen Verletzungen geprägten Vorgeschichte. An dieser sind die Enkel nicht beteiligt und vielfach kennen sie die Gründe nicht. Großeltern mögen darauf hoffen, dass das Gericht den Eltern ins Gewissen redet, um sie von einer ihrer Meinung nach grundlosen Weigerungshaltung abzubringen. Aus der Sicht der Eltern verhalten sich hingegen die Großeltern unangemessen und entwickeln einen negativen Einfluss. Nun haben die Familiengerichte aber nicht über das Verhalten der Erwachsenen mit ihren wechselseitigen Schuldzuweisungen zu befinden. Sie entscheiden mehrheitlich danach, welche Situation das Kind am wenigsten belastet.
Die beim Umgangsrecht unterschiedlichen Voraussetzungen zwischen Großeltern und anderen Bezugspersonen (§ 1685 Abs. 2 BGB) sind gering. Auch Großeltern wird ein Umgangsrecht in der Regel nur zugestanden, um bereits bestehende Bindungen aufrechtzuerhalten. Nach überwiegender Ansicht besteht kein Anspruch auf eine Kontaktanbahnung – d.h.: Haben Enkel ihre Großeltern nie kennengelernt, eröffnen ihnen die Gerichte in der Regel nicht die Chance, sie in der Kindheit kennenzulernen. Daher bilden Entscheidungen die Ausnahme, bei denen die Zukunftsperspektive für die Enkel ein größeres Gewicht erhält als die Konfliktvermeidung. Diesbezüglich hat kürzlich Spangenberg eine differenziertere Betrachtung angemahnt.
Unabhängig davon sind gerichtliche Entscheidungen in Umgangssachen allenfalls die drittbeste Lösung. Insoweit gilt für den Umgang von Großeltern keine Ausnahme. Daher kann der Rat im Krisenfall nur lauten: Bemüht euch um eine außergerichtliche Konfliktlösung im Rahmen einer Familienberatung! Andere Strategien sind auf Dauer nicht zielführend.
Ein eindrucksvolles Beispiel für den Umgang in einer konfliktreichen...