Wird Unterhalt für länger zurückliegende Zeiträume verlangt, sollte aufseiten des Unterhaltspflichtigen immer geprüft werden, ob hiergegen nicht die Einrede der Verjährung oder der Einwand der Verwirkung erhoben werden kann. Dabei kann die Verwirkung deutlich früher greifen als die Verjährung. Zudem ist die Verwirkung als Einwendung von Amts wegen zu berücksichtigen, muss also nicht besonders geltend gemacht werden. Es kommt also nicht darauf an, ob der Unterhaltsschuldner sich auf Verwirkung beruft. Allerdings ist entsprechender Sachvortrag zur Begründung unverzichtbar. Andernfalls kann das Gericht die Voraussetzungen der Verwirkung nicht feststellen. Die Darlegungs- und Beweislast trägt der Unterhaltsschuldner, der sich auf die Verwirkung berufen will.
Folgen der Verwirkung
Zu beachten ist aber sowohl für den Unterhalt als auch für andere periodisch fällig werdende Zahlungen, dass sich die Verwirkung nicht auf das Stammrecht als solches bezieht, sondern stets nur auf die daraus fließenden Einzelansprüche. Denn Zahlungsansprüche, zumal periodisch wiederkehrende, können nicht verwirkt sein, bevor sie überhaupt fällig geworden sind. Insofern müssen die Zeitabschnitte des rückständigen Unterhaltes differenziert betrachtet werden. Daher hat die Verwirkung des Unterhaltsrückstandes auch keinen Einfluss auf die Geltendmachung zukünftigen Unterhaltes.
Grundüberlegungen zur Verwirkung
Ausgangspunkt der Überlegungen ist dabei, dass Unterhaltszahlungen zur Deckung eines aktuellen Lebensbedarfes des Unterhaltsberechtigten dienen sollen, nicht aber zu dessen Vermögensbildung. Daraus wird die Notwendigkeit abgeleitet, entsprechende Forderungen auf Zahlung von Unterhalt zeitnah geltend zu machen. Ist aber ein Unterhaltsberechtigter auf den Unterhalt lebensnotwendig angewiesen, folgt daraus umgekehrt, dass der Schuldner mit der Durchsetzung der Ansprüche auch zeitnah rechnen kann.
Außerdem richtet der Unterhaltsverpflichtete seinerseits erfahrungsgemäß seine Lebensführung an den ihm zur Verfügung stehenden Einkünften aus. Wenn dann zu einem späteren Zeitpunkt in größerem zeitlichem Abstand von der Entstehung der Verpflichtung die Zahlung von rückständigem Unterhalt verlangt wird, können diese Unterhaltsrückstände zu einer erdrückenden Schuldenlast angewachsen sein. Weiter wird damit argumentiert, dass im Unterhaltsrechtsstreit die für die Bemessung des Unterhalts maßgeblichen Einkommensverhältnisse der Parteien nach längerer Zeit oft nur schwer aufzuklären sind.
Verwirkung kann auch greifen, wenn die Unterhaltsansprüche aus übergegangenem Recht vom Sozialhilfeträger geltend gemacht werden, obgleich dieser nicht lebensnotwendig auf die Realisierung der Forderung angewiesen ist. Er ist dennoch aufgrund der Rechtsnatur der Ansprüche gehalten, sich um deren zeitnahe Durchsetzung zu bemühen. Durch den Forderungsübergang – z.B. auf den Träger der Sozialhilfe – ändert sich nichts an Natur, Inhalt und Umfang des Unterhaltsanspruches.
Schuldnerschutz durch Verzug
Dabei ist allerdings zu beachten, dass die "erste Schwelle" des Schutzes für den Unterhaltspflichtigen vor so einer erdrückenden Schuldenlast bereits durch die Regelungen des Verzuges gewährleistet wird. Denn Unterhalt für die Vergangenheit kann nur gefordert werden, wenn der Schuldner für diese Forderung ordnungsgemäß in Verzug gesetzt worden ist. Dies kann einmal durch eine bezifferte Forderung geschehen (§ 286 Abs. 1 S. 1 BGB), zum anderen bietet das Unterhaltsrecht die zusätzliche Möglichkeit, den Schuldner durch ein korrektes Auskunftsverlangen in Verzug zu setzen (§ 1613 Abs. 1 S. 1 BGB). In beiden Fällen tritt die Verzugswirkung beim Unterhalt mit dem ersten Tag des Monats ein, an dem die Forderung nach Zahlung oder Auskunft beim Schuldner eingeht (§ 1613 Abs. 1 S. 2 BGB).
Wird die Verwirkung der einen bestimmten Zeitraum der Vergangenheit betreffenden Unterhaltsrückstände bejaht, so beseitigt dies nicht die Verzugsfolgen hinsichtlich der Ansprüche für jüngere Zeiträume, sondern nur den vor dem Zeitmoment liegenden Anspruch.
Auch wenn hinsichtlich des Unterhaltrückstandes die Voraussetzungen des Verzuges gegeben sind, aber der zurückliegende Unterhalt nicht zeitnah durchgesetzt wird, kann Verwirkung hinsichtlich der Unterhaltsrückstände eingreifen (§ 242 BGB), wenn sich seine spätere Geltendmachung unter dem Gesichtspunkt illoyal verspäteter Rechtsausübung als unzulässig darstellt. Das ist der Fall, wenn der Berechtigte sein Recht längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde.
Voraussetzungen einer Verwirkung eines Unterhaltsrückstandes sind
das Zeitmoment – der Gläubiger hat seinen Unterhaltsanspruch längere Zeit nicht geltend gemacht – und das Umstandsmoment – beim Schuldner wurde der Eindruck erweckt, er werde diesen Anspruch nicht meh...