Die Kritik betrifft indes nicht nur die Vorschrift des § 1374 Abs. 2 BGB, sondern auch § 1376 Abs. 1 BGB. Nach dieser Bestimmung soll dem Anfangsvermögen der Wert zugrunde gelegt werden, den dieses Vermögen beim Eintritt in den Güterstand hatte, also in der Regel im Zeitpunkt der Eheschließung. Diese Bewertung führt dazu, dass Wertsteigerungen von Grundstücken, Aktiendepots, Wertpapieren oder ähnliche Vermögenswerten, die während der Ehe eintreten, im Fall der Scheidung demnach mit dem anderen Ehepartner geteilt werden müssen. Insoweit besteht ein signifikanter Unterschied zur Errungenschaftsgemeinschaft, in der das Anfangsvermögen mit dem Wert veranschlagt wird, den es bei Auflösung der Ehe tatsächlich hat. Gerade dieser Unterschied gibt mir noch einmal und unter einem anderen Blickwinkel Anlass zu einer Überlegung über das grundsätzliche Verhältnis der beiden Güterstände.
Entgegen ihrem irreführenden Namen zeichnet sich die Zugewinngemeinschaft dadurch aus, dass jeder Ehepartner während der Ehe ein freies Wirtschaftssubjekt bleibt und im Grundsatz, sieht man von den erwähnten (beim Schutz des Familienheims unzureichenden) Einschränkungen in §§ 1365, 1369 BGB ab, auch frei über sein Vermögen verfügen kann. Es entsteht keinerlei dingliche Berechtigung des haushaltführenden Ehepartners an den "Einkünften" des erwerbstätigen Partners, der Teilhabegedanke wird erst am Ende der Gemeinschaft durch einen schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch verwirklicht. Demgegenüber ist das gemeinschaftliche Element bei der Errungenschaftsgemeinschaft deutlich stärker ausgeprägt als bei der Zugewinngemeinschaft, bei der während der Ehe de facto Gütertrennung herrscht. Auch im internationalen Vergleich mit der Errungenschaftsgemeinschaft liegt die Anziehungskraft der Zugewinngemeinschaft deshalb nicht zuletzt darin, dass sie modernen Individualisierungstendenzen in besonderer Weise entgegenkommt. Gerade auch aus diesem Grund stößt die Lösung des Gesetzgebers, eheneutralen Erwerb wie z.B. Wertsteigerungen von Grundstücken auf Basis der in § 1376 BGB geregelten Maßstäbe als ausgleichspflichtig zu qualifizieren, auf Widerspruch. Die Kritik entzündet sich daran, dass aufgrund dieser Tatsache der ausgleichsberechtigte Ehepartner bei einer Zugewinngemeinschaft besser gestellt wird als er bei der dinglich wirkenden, das gemeinschaftliche Element stärker betonenden Errungenschaftsgemeinschaft stehen würde. Es wird daher vorgeschlagen, § 1376 Abs. 1 BGB dahingehend zu ändern, dass Grundstücke, Aktiendepots und ähnliche Vermögenswerte mit dem Wert im Zeitpunkt der Beendigung des Güterstandes erfasst werden, wobei z.B. Verwendungen auf Grundstücke zu berücksichtigen wären.
Der Gesetzgeber hat es bei Einführung der Zugewinngemeinschaft aus zwei Gründen für erforderlich gehalten, die Wertermittlung wie dargestellt zu regeln: Zum einen mit Blick auf das "Wesen der Ehe als Schicksalsgemeinschaft" und zum anderen wegen der "Kompliziertheit" der Wertberechnung. Beide Gründe vermögen heute jedoch nicht mehr zu überzeugen. Dabei gehe ich davon aus, dass es keiner näheren Erläuterung bedarf, weshalb der Topos vom "Wesen der Ehe als Schicksalsgemeinschaft" unter Bedingungen fortschreitender Individualisierung überholt erscheint. Auch ist zu bezweifeln, dass eine andere Wertermittlung zu kompliziert sei. Dagegen sprechen die Erfahrungen, die in mehreren europäischen Ländern mit der Errungenschaftsgemeinschaft gemacht wurden, aber auch die Tatsache, dass der deutsch-französische Güterstand einer Wahl-Zugewinngemeinschaft alle Grundstücke und grundstücksgleichen Rechte des Anfangsvermögens mit dem Wert ansetzt, den sie am Tag der Beendigung des Güterstandes haben.