Die innere Orientierung und Fundierung des Eherechts ist doch nicht so eindeutig, wie es rechtspolitisch vom Gesetzgeber gern proklamiert wird. Die Verwerfungen zwischen Recht und Realität lassen Bruchlinien nicht nur beim nachehelichen Unterhalt, sondern wie aufgeführt auch beim gesetzlichen Güterrecht erkennen. Und gerade angesichts dieser Verwerfungen zwischen Recht und Realität verwundert es daher nicht, dass in der Praxis Bestrebungen erkennbar sind, die individualistische Ausrichtung des gesetzlichen Güterstands mit Instrumenten außerhalb des Güterrechts zu relativieren, wenn nicht gar mit der Tendenz einer "Vergemeinschaftung" zu korrigieren. Dazu möchte ich einige exemplarische Hinweise geben: Das vinkulierte Vermögen (§ 1365 BGB) wird nach Möglichkeit eher großzügig interpretiert, damit die Verfügungssperre greift. Aus der ehelichen Lebensgemeinschaft werden Besitzrechte gefolgert. Haushaltsgegenstände während der Ehe werden in der Regel zu hälftigem Miteigentum erworben. Noch weitergehend wird dafür plädiert, § 1357 BGB generell eine dingliche Wirkung beizumessen und auf diese Weise einen "laufenden Zugewinnausgleich" zu bewirken. Die Vermutung, dass der alleinverdienende Ehepartner gegen den gesamtschuldnerisch mitverpflichteten Ehepartner während bestehender Ehe regelmäßig keinen Rückforderungswillen hat, weist in dieselbe Richtung. Gerade anhand der Figuren der unbenannten Zuwendung, des familienrechtlichen Kooperationsvertrags und vor allem der Ehegatteninnengesellschaft lassen sich eindrucksvoll Tendenzen belegen, dass das sog. Nebengüterrecht im Ergebnis dazu dient, das individualistische Leitbild des gesetzlichen Güterstands mit Strukturelementen einer Gemeinschaft zu versehen.
All diese Beispiele zeigen, dass sehr wohl – jedenfalls in der Praxis – ein Bedürfnis nicht nur nach einer Randkorrektur, sondern nach einer Neustrukturierung wahrgenommen wird. Das Ziel ist es, eine gleichberechtigte Teilhabe zu verwirklichen, wie sie den verfassungsrechtlichen Vorgaben, den realen Schutzbedürfnissen und – nach der eingangs zitierten Studie – dem gelebten partnerschaftlichen Selbstverständnis in der ehelichen Beziehung entspricht. Eine zeitgemäße Gütergemeinschaft in Form einer neuen Errungenschaftsgemeinschaft würde zudem die Chance bieten, den verwirrenden Wust von Güterrecht und Nebengüterrecht zu ordnen und auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Damit könnte ein wirklicher Vereinfachungs- und Legitimierungseffekt erreicht werden. Zugleich würde ein normatives Modell eines partnerschaftlich konzipierten Güterrechts angeboten, das insbesondere den Risiken der Übernahme der Familienarbeit und asymmetrischen Rollenverteilungen in der bestehenden Ehe Rechnung trägt.
Versteht sich das Familienrecht im Spannungsfeld von Recht und Realität eher an der Realbeziehung orientiert (und weniger an vorgegebenen Gehalten der Ehe, wie es den institutionellen Ehelehren entsprach), dann sollte das solidarische Selbstverständnis der Ehepartner auf der Grundlage der genannten familiensoziologischen Erkenntnisse im Vordergrund stehen. Legt man diese Befunde zugrunde, stellt sich die Frage, ob mit der Zugewinngemeinschaft wirklich eine gleichberechtigte Teilhabe gerade auch bei einer ökonomischen "Schieflage" in der Ehe erreicht wird. Denn es wird eben keine Mitberechtigung eingeräumt, sondern es besteht zwischen den Ehepartnern sowohl während bestehender Ehe als auch danach ein "dingliches Gefälle". Mag man dies historisch auch mit Praktikabilitätsargumenten erklären oder – aus damaliger Sicht Anfang der 50er Jahre – mit dem Schutz vor einem haftungsrechtlichen Zugriff auf das Vermögen der Frau, so lässt sich heute nicht mehr verbergen, dass die individualistische Orientierung des gesetzlichen Güterrechts mit Blick auf die Gleichberechtigung der Ehepartner und die Gleichwertigkeit ihrer Beiträge jedenfalls in bestimmten Konstellationen problematisch ist. Es erstaunt, dass Autonomie- und Schutzbedürfnisse des nicht oder weniger verdienenden Ehepartners – in Deutschland nach wie vor zumeist die Frau – ausgeblendet werden.
Das individualistische Eheleitbild, wie es im gesetzlichen Güterstand für die Vermögenszuordnung der Ehepartner vorherrscht, scheint sich freilich nahtlos einzufügen in den derzeitigen rechtspolitischen Trend, die dispositiven Leitbilder nachehelicher Solidarität zu relativieren, sozusagen "nach unten" zu korrigieren, um die Eigenverantwortung der Ehepartner nach der Ehe zu stärken. Solche Herabstufungen mögen von der steigenden Scheidungsquote und dem Schutz nachfolgender Zweit- oder sogar Dritt-Ehen nahegelegt werden. Das gilt aber nach der Untersuchung gerade nicht für das solidarisch-partnerschaftliche Selbstverständnis der Ehegatten während bestehender Ehe. Die Ehepartner sollten daher eine freie Wahl ihres "Eheleitbilds" im Güterrecht treffen können und sich vor allem bewusst für das ihnen in der Lebensverlaufsperspektive passe...