BGB § 1602, § 1601
Leitsatz
1. Eine Vermögensverwertung kann nicht gefordert werden, wenn sie für den Unterhaltspflichtigen mit einem unangemessenen wirtschaftlichen Nachteil verbunden wäre. Der Unterhaltsschuldner muss nicht seinen eigenen angemessenen Unterhalt einschließlich der angemessenen Altersvorsorge gefährden. Beim Elternunterhalt sind die Interessen des Unterhaltspflichtigen danach stärker zu gewichten als beim Kindesunterhalt.
2. Der Unterhaltspflichtige ist berechtigt, neben der Eigensicherung des Lebensbedarfs auch Vorkehrungen zur Sicherung seines angemessenen Bedarfs im Alter zu treffen. Das Altersvorsorgevermögen ist nicht nach einem für alle Fälle geltenden Pauschalbetrag anzusetzen, sondern individuell zu berechnen.
OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.4.2012 – 9 UF 1747/11 (AG Fürth)
Anm. d. Red.: Die zugelassene Revision ist eingelegt, BGH – XII ZB 269/12.
Aus den Gründen
I. Der Antragsteller macht aus übergegangenem Recht Ansprüche auf Elternunterhalt gegen den Antragsgegner geltend.
Er hat der am … 1926 geborenen Mutter des Antragsgegners, Frau V. B., vom Juli 2008 bis Februar 2011 Sozialhilfe in Höhe von 17.014,68 EUR gewährt. Die verwitwete Mutter des Antragsgegners lebt im Städtischen Altenpflegeheim in F. Ihre Einkünfte, bestehend aus Rente, Witwenrente und italienischer Rente, reichen zusammen mit den Leistungen der Pflegeversicherung für die Pflegeheimkosten nicht aus.
Mit Rechtswahrungsanzeige vom 15.7.2008 verständigte der Antragsteller den Antragsgegner von den Sozialhilfeleistungen.
Da der Antragsgegner keinen Unterhalt leistete, macht der Antragsteller mit Klageantrag vom 2.3.2011 aus übergegangenem Recht Unterhaltsleistungen in Höhe von 17.014,68 EUR geltend.
Die Töchter A. und C. B., Geschwister des Antragsgegners, leben in Italien und wurden nach § 1607 Abs. 2 BGB vom Antragsteller nicht in Anspruch genommen. Die in Fürth lebende Schwester des Antragsgegners A. B. verfügt über kein ausreichendes Einkommen und Vermögen für den Unterhalt der Mutter.
Der Antragsgegner wohnt in einer im Jahr 1996 zum Alleineigentum erworbenen Eigentumswohnung in F., … Er ist als Elektriker bei einem Unternehmen in L. angestellt. Er verdiente im Jahr 2008 nach der vorgelegten Lohnabrechnung 27.417,92 EUR brutto aus Vollzeittätigkeit.
Der Antragsteller hat daraus ein monatliches Nettoeinkommen von 1.379,03 EUR des Antragsgegners errechnet. Nach Abzug der Fahrtkosten mit dem Pkw zur Arbeitsstätte in Höhe von 288,00 EUR monatlich und von 25,46 EUR für Versicherungsbeiträge verbleiben 1.065,57 EUR.
Der hinzuzurechnende Wohnwert für die selbstbewohnte Eigentumswohnung wird vom Antragsteller auf 339,02 EUR veranschlagt (365,00 EUR – 25,98 EUR verbrauchsunabhängige Nebenkosten). Der Antragsteller errechnet daraus ein monatliches bereinigtes Nettoeinkommen von 1.404,59 EUR.
Wegen dieses Einkommens, das unterhalb des Selbstbehalts von 1.500,00 EUR (SüdL 21.3.3; Stand: 1.1.2011) liegt, fordert der Antragsteller nur Unterhaltsleistungen aus dem Vermögen des Antragsgegners.
Das Vermögen des Antragsgegners wurde vom Antragsteller im ersten Rechtszug wie folgt dargestellt:
Sparguthaben Postbank (30.11.2009) |
6.412,39 EUR |
Allianz Lebensversicherung |
27.123,13 EUR |
Allianz Lebensversicherung |
5.559,03 EUR |
Allianz Lebensversicherung |
30.049,34 EUR |
|
69.143,89 EUR |
Davon waren nach Auffassung des Antragstellers abzuziehen:
Notgroschen |
10.000,00 EUR |
Differenz zum Selbstbehalt |
3.973,33 EUR |
Erhaltungsaufwand Eigentumswohnung Fürth |
10.000,00 EUR |
Rückstellungen Italien |
25.000,00 EUR |
|
48.973,33 EUR |
Nach Abzug errechnete er ein Restvermögen von 20.170,56 EUR.
Die Lebensversicherung der A. L. AG, Vertragsnr. … , hat der Antragsgegner zum 1.12.2009 aufgelöst und in Höhe von 30.140,17 EUR ausbezahlt erhalten. Nach dem Vortrag des Antragstellers hat er damit die Verbindlichkeiten in Italien zurückgeführt, die den Rückstellungen zugrunde liegen.
Für die zusätzliche angemessene Altersvorsorge errechnete der Antragsteller einen Betrag von 63.378,98 EUR. Er legte dafür jährliche Aufwendungen von 827,42 EUR (5 % des Nettoeinkommens von 16.548,36 EUR), eine Verzinsung von 4 % und 35 Berufsjahre zugrunde. Er ist der Auffassung, dass das Altersvorsorgevermögen aus der selbstgenutzten Eigentumswohnung … , F., im Wert von 115.000,00 EUR und dem Miteigentum des Antragsgegners im Wert von 60.000,00 EUR an dem Haus in P. besteht.
Der Antragsgegner widersprach der Berechnung seines Einkommens. Den Wohnvorteil hält er wegen des bestehenden Renovierungsrückstands für zu hoch bemessen. Der Antragsteller lasse bei der Ermittlung des Wohnwerts unberücksichtigt, dass er ein monatliches Wohngeld in Höhe von 318,00 EUR für die Eigentumswohnung in F. bezahlen müsse.
Der Antragsgegner bestritt, dass er über ein ungeschütztes Vermögen von 69.134,89 EUR verfüge. Die Eigentumswohnung in F. müsse umfassend instand gesetzt werden. Nach den eingeholten Kostenvoranschlägen sei mit Kosten von mindestens 24.000,84 EUR zu rechnen.
Die Lebensversicherungen und das Sparguthaben bei der Postbank müssten für den la...