Mit der vorstehenden Entscheidung beanstandete das Bundesverfassungsgericht die unzureichende Abwägung bei Auswahl des geeigneten Vormunds.
Das Gericht weist darauf hin, dass die möglicherweise traumatische Erfahrung des Kindes bei einer Fremdunterbringung vermieden werden kann. Das OLG hatte nicht ausreichend geprüft, ob die Großmutter nicht geeigneter sei als eine fremde Pflegefamilie. Dabei stützt sich das Bundesverfassungsgericht darauf, dass ein Eingriff in die Elternrechte nur unter den engen Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 3 GG zulässig sei.
In diesem Zusammenhang ist auch auf eine frühere Entscheidung des Verfassungsgerichts hinzuweisen, wonach es mit dem Elternrecht gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG grundsätzlich. nicht vereinbar sei, wenn ein Pflegeverhältnis so verfestigt wird, dass die leiblichen Eltern mit einem dauernden Verbleib des Kindes in der Pflegefamilie rechnen müssen. Die Rückführung des Kindes in seine leibliche Familie muss Ziel bzw. darf zumindest nicht ausgeschlossen sein, was bei der Auswahl desjenigen, bei dem das Kind künftig leben soll, auch berücksichtigt werden muss.
Die betreuende Person und auch das Kind müssen sich also auf eine spätere Herausgabe des Kindes an die Eltern – sofern diese geeignet sind, das Kind zu betreuen – einstellen. Gerade auch aus diesem Grund ist der Betreuung durch die Großmutter der Vorzug zu geben. Diese kann auch nach einer Rückführung des Kindes zu den Eltern zwanglos mit dem Kind in Kontakt bleiben. Solange sich das Kind noch bei der Großmutter aufhält, kann der Umgang mit den Eltern zum Kind einfach gewährleistet werden. Kind und Eltern können sich so leichter wieder annähern.
Wird das Kind von einem nahen Verwandten betreut, so ist das Kind faktisch nicht von seinen Wurzeln getrennt. Bereits in einer früheren Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht beim Vorzug der Großmutter vor einer Pflegefamilie darauf hingewiesen, dass bei der Großmutter für das Kind das Aufwachsen in der Herkunftsfamilie gewährleistet ist und hierdurch einer weitgehende Trennung des Kindes von seinen leiblichen Eltern vermieden werden könnte.
Auch ist möglicherweise die Akzeptanz dieser Betreuungsperson durch die Eltern höher, was sich bei regelmäßigem Umgang auswirken wird.
In diesem Zusammenhang muss auch das Grundrecht des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG berücksichtigt werden. Auch ein kleineres Kind wird den Unterschied feststellen, ob es bei völlig Fremden oder aber der ihm bekannten und geliebten Oma lebt. Das Gefühl des "Abgeschobenseins" stellt sich bei ihm dann so nicht ein. Auch erschließt sich ihm bei einer fremden Familie vielleicht die Schwere des Eingriffs und es hat eine Ahnung, dass seine Eltern erhebliche Defizite haben.
Die Entscheidung zugunsten der Großmutter ist somit begrüßenswert und reiht sich in mehrere gleichartige Entscheidungen ein.
Dr. Undine Krebs, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, München