Der Weg scheint richtig, bei der Praxisbewertung nicht einen objektivierten, sondern einen an der konkreten Person des Inhabers orientierten Unternehmerlohn vom Gewinn abzuziehen. Das macht die Praxisbewertung aber nur scheinbar einfacher. Welches der richtige individualisierte Unternehmerlohn ist, ist alles andere als eindeutig und wird auch zukünftig noch Anlass für sehr viel Streit bieten.
Der Streit muss sich zwangsläufig daraus ergeben, dass die Höhe des Unternehmerlohnes eine enorme Hebelwirkung hat. Das mag folgendes vereinfachtes Beispiel zeigen:
Der Basiszins plus Risikoaufschlag soll mit 10 % angenommen werden. Dann wäre also der zukünftige Jahresgewinn 10 % des angenommenen Kapitals. Der Unternehmenswert wäre das 10-Fache des Jahresgewinns. Daraus folgt: Nimmt man einen Unternehmerlohn nur 10.000 EUR pro Jahr höher an, dann verringert sich der Unternehmenswert bereits um 100.000 EUR – und umgekehrt. Dass in dieser Situation viel Streit um die Höhe des Unternehmerlohns entstehen muss, liegt auf der Hand.
Wirklich brauchbare Kriterien für die Bestimmung des individuellen Unternehmerlohns lassen sich bei näherer Betrachtung nicht finden. Die Entscheidungen des BGH führen deshalb nur scheinbar weiter. Die Rezeption der Entscheidungen in der Zeitschriftenliteratur bestätigt den BGH zwar im Wesentlichen, gibt aber auch kaum weitergehende Hinweise.
Die veröffentlichten Ansichten nennen zwar Gründe, weshalb von dem zutreffenden Unternehmerlohn ein Zu- oder Abschlag gemacht werden muss. Der Kern des Problems dürfte aber darin liegen, dass die Ausgangsgröße kaum zu ermitteln ist. Was ist das angemessene Gehalt des selbstständig tätigen Freiberuflers? Im gewerblichen Bereich gibt es hinreichend Beispiele von Fremdgeschäftsführern, die ein Gehalt beziehen. Daran kann sich der Unternehmerlohn orientieren. Angestellte Freiberufler gibt es aber eigentlich nicht, jedenfalls nicht im Bereich der Ärzte und Rechtsanwälte. Berufsanfänger arbeiten im Angestelltenverhältnis. Diese sind aber kein Maßstab für eine Praxis, die einen ideellen Wert hat. Wer als Rechtsanwalt erfolgreich ist, wird selbstständig oder Partner einer Sozietät. Wer es nicht ist, scheidet aus dem Beruf aus. Bei Ärzten verbietet schon das Berufsrecht weitgehend Anstellungsverhältnisse. Die Praxis zieht als Vergleich dann Krankenhausärzte oder Juristen im öffentlichen Justizdienst heran. Jedenfalls bei Juristen ist es offensichtlich: Rechtsanwälte, Staatsanwälte und Richter haben denselben beruflichen Ausgangspunkt. Die Art der Berufstätigkeit entwickelt sich im Laufe der Jahre soweit auseinander, dass sie nicht mehr wirklich vergleichbar ist. Deshalb kann die Vergütung der einen Berufsgruppe kein brauchbarer Maßstab für eine angemessene Vergütung der anderen Berufsgruppe sein. Welches Kriterium stattdessen heranzuziehen ist, ist bisher nicht absehbar.