I. Einleitung
Der Titel dieses Beitrags mag als etwas kryptisch empfunden werden. Er betrifft ein Thema, das seinerseits einigermaßen kryptisch ist, von dem sehr unterschiedliche und vielfach auch nicht recht klare Vorstellungen bestehen. Gemeint ist nicht die Arbeit am Zugewinn, sondern die Bewertung freiberuflicher Arbeit im Zugewinnausgleich, die freiberufliche Praxis als Vermögensposten in der Zugewinnausgleichsbilanz. Die Bewertung einer solchen Praxis im Zugewinnausgleichsverfahren ist kein theoretisches Problem, sondern in einer Vielzahl von Fällen ein höchst praktisches. In der Zugewinnausgleichsbilanz macht zumeist ein Unternehmen oder eine Unternehmensbeteiligung, die einem der Ehegatten zusteht, die wesentlichste Position aus. Tatsächlich tauchen Unternehmen in der Form einer freiberuflichen Praxis durchaus häufiger auf als gewerbliche Unternehmen.
Bei den Beteiligten stößt es oft auf wenig Verständnis, dass die freiberufliche Praxis überhaupt einen Wert haben soll. Das durchaus praxisgerechte Empfinden besagt, dass der zukünftige wirtschaftliche Erfolg vor allem ein Ergebnis zukünftiger Arbeit des Inhabers sei. Ohne diese weitere Arbeit habe die Praxis keinen Wert. Das ist nachvollziehbar. Die Betriebswirtschaftslehre und ihr folgend auch die herrschende Rechtspraxis sind indes anderer Meinung. Eine freiberufliche Praxis kann durchaus einen Wert haben, der über die Summe ihrer Anlagegüter hinausgeht.
Das Thema hat neue Aktualität gewonnen durch zwei grundlegende Entscheidungen des XII. Zivilsenats vom 9.2. und 2.2.2011. Die Entscheidungen haben die wissenschaftliche Diskussion angeregt. Dieser Beitrag will daran teilnehmen.
II. Die Gewinnermittlungsmethoden
1. Die verschiedenen Verfahren
Die zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes betrafen eine Zahnarztpraxis und eine Steuerberaterpraxis. Sie lassen sich in ihrem Aussagegehalt ohne Weiteres auf weitere Formen von freiberuflichen Praxen übertragen. Generell ist nach diesen Entscheidungen, die insoweit Zustimmung verdienen, anzunehmen, dass eine freiberufliche Praxis über den Wert des Anlagevermögens hinaus einen Goodwill haben kann, der als wirtschaftlicher Wert zusätzlich in Ansatz gebracht werden muss. Worin er besteht und wie er zu bewerten ist, ist das schwierige Problem. Dieses Problem wird nicht endgültig und für alle Fälle überzeugend zu lösen sein. Man kann den Goodwill nicht sehen und nicht anfassen. Er ist eine gedachte Größe, und er ist flüchtig. Seine Ermittlung gleicht, wie es in einer Schrift von 1995 bezeichnet wurde, einer "Fortsetzung der Klassenlotterie mit anderen Mitteln". Dem wirklichen Wert dieser Position wird man sich nur annähern, ihn nie absolut erfassen können. Deshalb wird voraussichtlich die Diskussion darüber auch weitergehen.
Die freiberufliche Praxis hat zunächst einmal einen Sachwert. Das ist der Wert der Anlage- und Umlaufgüter, die für den Betrieb verwendet werden. Bei der Bewertung gewerblicher Unternehmen gilt die Sachwertmethode generell als ungeeignet, um den Unternehmenswert festzustellen. Trotzdem hat sie Bedeutung und soll zum Verständnis hier kurz erläutert werden. Außerdem ist bei der modifizierten Ertragswertmethode, die der BGH für das freiberufliche Unternehmen für richtig hält, sowie bei der Umsatzmethode der Sachwert neben dem Goodwill ohnehin gesondert zu ermitteln.
Der Sachwert lässt sich in der Regel recht einfach feststellen. Zwar wird für eine freiberufliche Praxis normalerweise keine Bilanz erstellt. Es gibt also keine Bilanzposition Anlagevermögen. Um die Abschreibungen ermitteln zu können, muss aber ein Anlageverzeichnis geführt werden. Darin sind alle Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb dienen, mit ihren Anschaffungspreisen aufgeführt. Die Anschaffungspreise werden um die regelmäßige Abschreibung verringert. Die Abschreibung legt eine typisierte aber realistische Gebrauchsdauer der einzelnen Gegenstände zugrunde, so dass die lineare Abschreibung den Wertverlust der einzelnen Wirtschaftsgüter einigermaßen realistisch wiedergibt.
In der Feststellung des wirklichen Werts des sachlichen Vermögens liegt deshalb kein großes Problem. In der Mehrzahl der freiberuflichen Praxen ist dieses Vermögen auch nicht sehr hoch, ist also auch nicht Gegenstand ausgedehnten Streits.
Der eigentliche Wert einer Praxis liegt nicht in ihrer zumeist unbeutenden Einrichtung. Sie kann aber einen wirklichen Wert haben, der weit über den Sachwert, den Wert der Anlagegüter, hinausgeht. Es ist der Praxiswert, der Firmenwert, der ideelle Wert, der Goodwill oder wie immer man das bezeichnen möchte.
Dass es einen solchen Wert gibt, wird durch ziemlich einfache Überlegungen deutlich. Wie er zu bewerten ist, wird dadurch nicht einfacher.
Eine freiberufliche Praxis lässt sich verkaufen. Das ist bei Rechtsanwälten weniger üblich als bei Ärzten. Bei niedergelassenen Ärzten ist es aber die Regel, dass sie ihre Praxis beim Eintritt in den Ruhestand einem Nachfolger übergeben und dafür einen Preis bekommen. Der Preis ist dabei nicht...