GG Art. 2 Abs. 1 6 Abs. 2 S. 1 20 Abs. 3
Leitsatz
1. Das durch Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG geschützte Umgangsrecht kann zum Schutz des Kindes eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Dabei kommt dem Kindeswillen mit zunehmendem Alter des Kindes vermehrt Bedeutung zu. Selbst ein auf Beeinflussung beruhender Wunsch des Kindes kann beachtlich sein, wenn er Ausdruck echter und damit schützenswerter Bindungen ist.
2. Das Gericht ist verpflichtet, die Gründe für die Ablehnung des Umgangs durch das Kind zu ermitteln und sie in seine Entscheidung einzubeziehen.
3. Da der Umgangsausschluss nach § 1696 Abs. 1 BGB fortdauernd gerichtlich zu überprüfen ist, kann er auch für eine längere Dauer als ein Jahr hinaus ausgeschlossen werden.
4. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ist es nicht zu beanstanden, dass das Gericht von der Anordnung von Zwangsmaßnahmen gegen die Mutter absieht, wenn diese sich aufgrund der verfestigten Situation und des mittlerweile vorangeschrittenen Alters des Kindes nicht mehr als ein geeignetes Mittel erwiesen, Umgänge zwischen Vater und Kind anzubahnen, ohne das Kind zu gefährden. Eine solche Gefährdung ist gegeben, wenn das Kind jeglichen Druck auf die Mutter in erheblichem Maße auch selbst wahrnimmt und Zwangsmaßnahmen ihr gegenüber zum Zwecke der Durchführung von Umgangskontakten als Bedrohung seines etablierten Familiensystems sehen würde.
5. Der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz gebietet, strittige Rechtsverhältnisse in angemessener Zeit zu klären. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei ist auch das den Beteiligten zuzurechnende Verhalten zu berücksichtigen.
6. Richtet sich eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz, so gehört zur Zulässigkeit die schlüssige Behauptung des Beschwerdeführers, dass er selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch die beanstandeten Rechtsnormen in seinem Grundrecht verletzt sei. Er muss schlüssig darlegen, dass die angegriffenen Normen auf seine Rechtsstellung aktuell und nicht nur potenziell einwirken.
(Leitsätze der Redaktion)
BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 25.4.2015 – 1 BvR 3326/14 (OLG Frankfurt, AG Frankfurt)
1 Gründe:
I. [1] Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen den am 12.11.2013 beschlossenen, bis zum 31.10.2015 befristeten Umgangsausschluss mit seinem im Jahr 2003 geborenen Sohn.
[2] 1. a) Kurz nach der Geburt trennten sich die Kindeseltern. Ein erstes im Jahr 2005 begonnenes Umgangsverfahren endete im September 2010 vor dem Oberlandesgericht mit der Anordnung von Umgängen, die anfangs durch einen Umgangspfleger begleitet werden sollten. Wegen der überlangen Dauer dieses Umgangsverfahrens stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit Urt. v. 21.4.2011 eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und mangels Vorliegens eines effektiven Rechtsbehelfs hinsichtlich der Verfahrensdauer zudem auch eine Verletzung von Art. 13 in Verbindung mit Art. 8 EMRK fest (EGMR, Kuppinger v. Deutschland, Urt. v. 21.4.2011, Nr. 41599/09).
[3] b) Die gerichtlich angeordneten Umgangskontakte fanden größtenteils nicht statt. Auch scheiterten jegliche Versuche, einen Umgangspfleger zu finden. Daher leitete das Amtsgericht im Februar 2011 von Amts wegen ein Abänderungsverfahren zum Umgangsrecht ein. Im März 2011 fand ein erster Anhörungstermin statt, in dem der Beschwerdeführer die Familienrichterin als befangen ablehnte. Nach Rücknahme seines Ablehnungsantrags hörte das Amtsgericht das Kind im Mai 2011 an. Es sprach sich gegen einen Umgang mit dem Beschwerdeführer aus. Das gegen den im Juni 2011 bestellten Sachverständigen erhobene Ablehnungsgesuch des Beschwerdeführers erklärte das Oberlandesgericht im November 2011 für begründet, nachdem der Sachverständige im sofortigen Beschwerdeverfahren eine Äußerung getätigt hat, die nach Auffassung des Oberlandesgerichts geeignet gewesen sei, Misstrauen gegen seine Unvoreingenommenheit zu begründen.
[4] Am 13.12.2011 erhob der Beschwerdeführer seine erste Verzögerungsrüge. Mit Beschl. v. 19.12.2011 bestellte das Amtsgericht eine neue Sachverständige. Der Beschwerdeführer verweigerte jedoch in der Folge seine Begutachtung. Am 17.4.2012 erhob der Beschwerdeführer eine weitere Verzögerungsrüge. Nach Eingang der psychologischen Stellungnahme der Sachverständigen am 19.4.2012 beim Amtsgericht beraumte dieses einen Tag später einen Anhörungstermin für Ende Mai 2012 an. Aufgrund eines erneuten Befangenheitsantrags des Beschwerdeführers gegen die Familienrichterin musste dieser jedoch aufgehoben werden. Im Juni 2012 wies das Amtsgericht den Ablehnungsantrag des Beschwerdeführers zurück. Im Oktober 2012 wies das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers zurück. Zuvor, am 3.7.2012, hatte der Beschwerdeführer eine dritte Verzögerungsrüge erhoben.
[5] Aufgrund eines weiteren Ablehnungsgesuchs des Beschwerdeführers gegen die Familienrichterin im Dezember 2012 hob das Amtsgericht den fü...