I. Der BGH als Wahrer der Rechtseinheit in zivilrechtlichen Grundsatzfragen
Die Handhabung des seit 1.9.2009 geltenden FamFG hat sich in der Praxis weitgehend eingespielt. Manche verfahrensrechtlichen Zweifelsfragen sind inzwischen höchstrichterlich geklärt. Insoweit hat sich die mit dem Gesetz angestrebte Betonung und Stärkung der Rolle des Bundesgerichtshofs als Rechtsbeschwerdegericht bewährt. Der Regierungsentwurf zum FGG-Reformgesetz beschrieb dieses Ziel so:
Zitat
"Dem Rechtsbeschwerdegericht wird es ermöglicht, sich künftig in erster Linie mit Verfahren zu befassen, denen aufgrund ihrer grundsätzlichen Bedeutung eine über den Einzelfall hinaus reichende Wirkung zukommt. Die Konzentration der Rechtsbeschwerden beim Bundesgerichtshof sichert eine zügige höchstrichterliche Entscheidung von Grundsatzfragen. Hierdurch wird die Funktion des Bundesgerichtshofes als Wahrer der Rechtseinheitlichkeit und Rechtsfortbildung gestärkt."
II. Die Ausnahme in Betreuungs- und Unterbringungssachen
1. Sonderstellung beim Rechtsmittel der Beschwerde
Allerdings ist diese gesetzliche Konzeption nicht bruchlos verwirklicht worden. Das betrifft namentlich den Bereich der Rechtsbeschwerden in Betreuungs- und Unterbringungssachen. Diese Verfahren nehmen ohnehin eine Sonderstellung im Rechtsmittelsystem der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein: Die Beschwerde gegen Entscheidungen der erstinstanzlich zuständigen Betreuungsgerichte wird, abweichend von der generellen Regelung des Rechtsmittelzuges, nicht vor dem Oberlandesgericht verhandelt. Zuständig ist vielmehr das Landgericht. Dieselbe Regelung gilt im Übrigen auch für Freiheitsentziehungssachen.
Diese Ausnahme (und damit die Beibehaltung der früheren zweitinstanzlichen Zuständigkeit unter Geltung des FGG) wurde begründet mit der "regelmäßig geringeren räumlichen Entfernung der Landgerichte vom gewöhnlichen Aufenthalt des Betreuten und Untergebrachten".
Dieses Argument überzeugt angesichts der herausragenden Bedeutung, die Gesetz und verfassungsgerichtliche Rechtsprechung der persönlichen Anhörung in diesen Verfahren zumessen. Diese wird aber häufig in der persönlichen Umgebung des Betroffenen stattzufinden haben, weil das Gesetz dies unter bestimmten Voraussetzungen für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks vom Betroffenen vorgibt. Viele Betroffene sind zudem wegen ihrer körperlichen Verfassung nicht in der Lage, zu einer Anhörung im Gericht zu erscheinen. Speziell in Unterbringungssachen wäre es auch häufig nicht sinnvoll bzw. aus medizinisch-therapeutischen Gründen nicht angezeigt, den Betroffenen zu diesem Zweck im Gericht vorzuführen. Wäre in diesen Verfahren das Oberlandesgericht – entsprechend der allgemeinen Regelung – Beschwerdeinstanz geworden, hätte man dem jeweils zuständigen Senat vor allem in den Flächenländern regelmäßig weite Fahrten zu solchen persönlichen Anhörungen zumuten müssen. Dies wurde zu Recht als unpraktikabel angesehen.
2. Inkonsequente Einordnung im weiteren Instanzenzug
Der Gesetzgeber hat sich allerdings nicht entschließen können, die vernünftige Ausnahme für die zweite Instanz in Betreuungs- und Unterbringungssachen konsequent dahingehend fortzuschreiben, dass auch deren drittinstanzliche Überprüfung wie zuvor in bewährter Weise den Oberlandesgerichten vorbehalten blieb.
Das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde nach früherem Recht war zwar formgebunden. Neben einem Anwaltsschriftsatz genügte allerdings auch die persönliche Einlegung zu Protokoll des Rechtspflegers bei jedem am Instanzenzug beteiligten Gericht bzw. am Ort der Unterbringung. Deshalb war ein niederschwelliger Zugang für die Betroffenen eröffnet. Die ursprüngliche Vorstellung der Bundesregierung sah demgegenüber nicht nur die – letztlich Gesetz gewordene – Einbeziehung der drittinstanzlichen Rechtskontrolle in Betreuungs- und Unterbringungssachen in das neue System der Rechtsbeschwerde durch den BGH nach §§ 70 ff. FamFG-E vor. Diese sollte auch – entsprechend dem allgemeinen Grundsatz – einer Zulassung durch das Beschwerdegericht bedürfen, welche nur bei grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache oder der Notwendigkeit der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auszusprechen war. Zudem sollte der BGH – wie für alle Rechtsbeschwerden vorgesehen – an die Zulassung nicht gebunden sein.
Damit wäre in Betreuungs- und Unterbringungssachen sowie Freiheitsentziehungsverfahren eine rechtliche Überprüfung landgerichtlicher Entscheidungen nur noch in seltenen Ausnahmefällen möglich geworden. Sowohl zunächst das Landgericht als auch anschließend der BGH hätten dessen Entscheidung zur Rechtsfortbildung oder -vereinheitlichung für erforderlich halten müssen.
In einer Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss des Bundestages am 8.2.2008 hat der Verfasser eindringlich auf die damit v...