Dr. Christian Grabow
Als im Familienrecht tätige Anwälte verbinden wir mit dem Begriff der Kontinuität zumeist Kindschaftssachen. Insbesondere aus den eingeholten kinderpsychologischen Gutachten wissen wir, dass gerade für jüngere Kinder die kontinuierliche Betreuungssituation enorm wichtig für den Aufbau und die Erhaltung der Eltern-Kind-Beziehung ist. Kinder brauchen Stabilität. Beziehungsbrüche können sich negativ auf die Entwicklung ihrer eigenen Persönlichkeit auswirken.
Auch Mandanten sind in Trennungs- und Scheidungssituationen häufig darauf angewiesen, einen Anlaufpunkt zu haben, der ihnen Orientierung in der zumeist schwierigen Lebensphase gibt. Darin liegt die sicherlich reizvolle Aufgabe des Familienrechtsanwaltes. Den Mandanten geht es nicht nur um das persönliche Gespräch in der Kanzlei. Sie erwarten auch die fachkundige Begleitung zum Gerichtstermin. Haben sie bislang keine Erfahrungen mit der Justiz und glauben teilweise, es spiele sich dort so ab wie in den TV–Serien, ist es unsere Aufgabe, sie auf die Realität vorzubereiten. Dazu gehört manchmal auch der Hinweis, dass der/die Familienrichter(in) erst seit kurzer Zeit im Familiengericht tätig ist und sich einarbeiten muss. Mitunter hat er/sie das Dezernat erst vor wenigen Tagen oder Wochen übernommen und war zuvor in einem anderen Bereich oder an einem anderen Fachgericht tätig, ohne jemals zuvor Erfahrungen im Familienrecht gesammelt zu haben.
Häufig fragen Mandanten in dieser Situation, ob diese(r) Richter(in) überhaupt die Sache kenne und sie richtig entscheiden könne. Wir beruhigen und weisen darauf hin, dass schließlich die Gegenseite selbstverständlich auch durch einen Fachanwalt für Familienrecht vertreten werde und gemeinsam würden sie notfalls "Hilfestellung" leisten. Den Mandanten mag das zunächst zufriedenstellen. Das eigentliche Problem wird damit aber nicht gelöst. Was von uns Fachanwälten an Fortbildung erwartet wird, findet leider in der Richterschaft noch keine Entsprechung. Häufig ist auch schon in der "FF" die Forderung angemahnt worden, eine Fortbildungspflicht für Familienrichter einzuführen. Eine Umsetzung lässt aber immer noch auf sich warten. Nach § 23b Abs. 3 GVG darf ein Proberichter nach einem Jahr bereits in das Familiengericht kommen, ohne zuvor familienrechtliche Praxis erworben zu haben. Er hat dann das komplette Programm des Familienrechtes zu bearbeiten. Es ist häufig über existenzielle Fragen der betroffenen Rechtssuchenden zu entscheiden. Auch in Kindschaftssachen ist in der Regel Berufs- und Lebenserfahrung, wenn schon nicht unbedingt nötig, so doch zumindest hilfreich. Besonders dramatisch für betroffene Eltern wird die Situation dann, wenn sich das Umgangs- oder Sorgerechtsverfahren über länger als ein Jahr erstreckt und der/die Proberichter(in) innerhalb der Probezeit eine andere Stelle zugewiesen bekommt. Leider ist dies keine Theorie, sondern gelebte Erfahrung. Und dann kommt wieder die Kontinuität ins Spiel. Hat nicht der Mandant auch einen Anspruch, dass in seinem Verfahren kein Richterwechsel stattfindet? Ausnahmen wird es immer geben, die mit Krankheit oder dem altersbedingten Ausscheiden begründet sind. Aber es muss bei Ausnahmen bleiben!
Es drängt sich der Eindruck auf, dass dem Sparzwang der Länder zunehmend die Justiz zum Opfer fällt. Außerhalb offizieller Erklärungen höre ich von Richtern, es seien in erster Linie die Verfahren zu bearbeiten, über die die Presse berichtet. Hierzu zählen die Familiensachen aus guten Gründen nicht. Das kann aber nicht dazu führen, Familiengerichte stiefmütterlich zu behandeln. Vermutlich werden viele von Ihnen sagen, diese Erscheinungen würden in Ihrer Gerichtspraxis keine Rolle spielen. Dann können Sie und Ihre Mandanten erfreut über eine eigentlich normale Situation sein. Leider höre ich aber zunehmend von Anwaltskollegen, dass sie mit ähnlichen Problemen wie den beschriebenen zu kämpfen haben. Wir sollten deshalb auf den uns zur Verfügung stehenden Wegen weiterhin versuchen, der Besetzung der Familiengerichte die Bedeutung beizumessen, die ihnen zukommt. Dazu zählt die fachliche Qualifizierung der Familienrichter einschließlich ihrer Fortbildungspflicht ebenso wie die kontinuierliche Besetzung der Richterstellen und eine Änderung des § 23b Abs. 3 GVG. Wir sind es vor allem unseren Mandanten schuldig.
Autor: Dr. Christian Grabow
Dr. Christian Grabow, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Ludwigslust
FF 7/2016, S. 265