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In der Praxis treten zunehmend die Fälle auf, in denen der Elternteil, bei dem das minderjährige Kind nicht lebt und für das er Barunterhalt zahlen muss, der Auffassung ist, er könne mit seinen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln diesen Unterhalt nicht leisten. Der nachfolgende Beitrag zeigt auf, welche Verpflichtungen Eltern, die für ihre Kinder Unterhalt zahlen müssen, im Einzelnen hinsichtlich der Beschaffung von Geldmitteln treffen und welche Möglichkeiten sie haben, gewisse Beträge für sich zu behalten.
I. Bedarf des minderjährigen Kindes
Grundsätzlich sind beide Eltern dem Kind gegenüber unterhaltspflichtig. Bei minderjährigen Kindern erfüllt in der Regel (Ausnahme paritätisches Wechselmodell, dazu s.u.) ein Elternteil seine Unterhaltspflicht allein durch die Betreuung und Erziehung des Kindes (§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB). Der andere Elternteil muss Barunterhalt leisten. Der Bedarf des minderjährigen Kindes richtet sich in diesen Fällen daher allein nach dem Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils.
Der Mindestbarbedarf eines minderjährigen Kindes wurde bisher anhand des einkommensteuerrechtlichen Kinderfreibetrages (§ 32 Abs. 6 S. 1 EStG) ermittelt, der wiederum auf der Grundlage des von der Bundesregierung erstellten Existenzminimumberichtes festgesetzt wurde. Dieser Weg ist durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts und des Unterhaltsverfahrensrechts vom 25.11.2015 (BGBl 2015 I, 2018) für die Zeit ab dem 1.1.2016 vereinfacht worden. Um die Anbindung des Mindestunterhalts für minderjährige Kinder an den steuerlichen Freibetrag zu beenden, gleichwohl aber die sachlich gerechtfertigt bleibende Anbindung an das steuerfrei zu stellende sächliche Existenzminimum der Kinder aufrechtzuerhalten, ist § 1612a Abs. 1 BGB geändert worden. Für die Höhe des Mindestunterhalts wird nunmehr auf eine vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz zu erlassende Rechtsverordnung, ausgehend vom jeweils letzten Existenzminimumbericht der Bundesregierung, verwiesen. Die erste Verordnung vom 3.12.2015 (BGBl 2015 I, 2188) ist zum 1.1.2016 in Kraft getreten. Sie legt den Mindestunterhalt für die Zeit ab 1.1.2016 und ab 1.1.2017 fest. Die Mindestunterhaltssätze (100 % des Mindestunterhaltes) sind Grundlage für die in der Düsseldorfer Tabelle festgelegten Unterhaltsbeträge (s.u.).
1. Tabellen
In der Praxis wird zur Ermittlung des Unterhaltsanspruchs des Kindes zunächst das unterhaltsrechtlich relevante bereinigte Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils ermittelt. Sodann wird mit Hilfe der Düsseldorfer Tabelle unter Berücksichtigung des jeweiligen Alters des Kindes der Kindesunterhaltsbetrag festgestellt.
Die Düsseldorfer Tabelle ist stets in der Fassung des Zeitraumes anzuwenden, für den der Unterhalt berechnet werden soll.
Achtung:
Der Unterhalt ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht ebenfalls zeitbezogenen geltend zu machen. Wenn der Unterhaltsberechtigte für bestimmte Zeiträume zu viel Unterhalt fordert, ist sein Antrag nach der Rechtsprechung des BGH abzuweisen. Er kann gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht mit anderen Zeiträumen verrechnet werden, in denen er weniger Unterhalt verlangt hat als ihm zusteht.
Düsseldorfer Tabelle ab dem 1.1.2016:
Der oben ermittelte Tabellenunterhalt entspricht nicht dem tatsächlichen Zahlbetrag, denn dem barunterhaltspflichtigen Elternteil kommt das halbe Kindergeld zugute. Da das Kindergeld in der Regel in voller Höhe an den betreuenden Elternteil ausgezahlt wird, darf der Barunterhaltspflichtige die Hälfte von seinem Unterhaltsbetrag abziehen. Um die tatsächlichen Zahlbeträge der Unterhaltstabelle zu ermitteln, muss zunächst das Kindergeld vom jeweiligen Tabellenunterhalt abgezogen werden.
Dabei ist das Kindergeld wie folgt zu berücksichtigen:
2. Mehrbedarf, Sonderbedarf
Der Tabellenunterhalt für minderjährige Kinder deckt den Bedarf eines minderjährigen Kindes. Entsprechend §§ 27 ff. SGB XII ist hiermit der gesamte elementare Lebensbedarf i.S.d. § 1610 Abs. 2 BGB umfasst, d.h. die Kosten für Ernährung, Kleidung, Wohnen, Gesundheitsfürsorge und Ausbildung. Wenn das unterhaltsbedürftige Kind neben dem allgemeinen Lebensbedarf über einen längeren Zeitraum einen zusätzlichen Bedarf hat, ist dieser als regelmäßiger Mehrbedarf bereits bei der Bemessung des laufenden Unterhalts zu berücksichtigen. Demgegenüber ist Sonderbedarf gemäß § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB ein nicht vorhersehbarer, unregelmäßiger außergewöhnlich hoher Bedarf.
Die zutreffende rechtliche Einordnung eines zusätzlichen Bedarfs des minderjährigen Kindes als Mehrbedarf oder Sonderbedarf ist entscheidend für die praktische Durchsetzung, denn Sonderbedarf kann innerhalb eines Jahres nach seiner Entstehung ohne die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB verlangt werden. Mehrbedarf kann dagegen nur zusammen mit dem laufenden Unterhalt geltend gemacht werden und für zurückliegende Zeiträume nur ab Aufforderung des Unterhaltsschuldners zur Auskunftserteilung, Verzug des Verpflichteten mit der Erf...