In der Beurteilung von Elternunterhaltsfällen steht die Bemessung der Leistungsfähigkeit des Kindes im Vordergrund. Insbesondere die Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens wirft Probleme auf. Damit hat sich der BGH befasst.

a) Abzug von berufsbedingten Fahrtkosten

Dem berufstätigen, auf die Nutzung seines privaten Pkw angewiesenen Kind kann zugebilligt werden, entsprechend seinen bisherigen Gewohnheiten eine längere Strecke zur Arbeitsstelle zu fahren, die schneller ist als die kürzeste. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Abzug der Kosten für die kürzeste Strecke nur eine relativ geringfügige Erhöhung seiner Leistungsfähigkeit bewirken würde.[68]

[68] BGH NJW 2017, 1169 m. Anm. Reinken = NZFam 2017, 303 m. Anm. Norpoth = FamRZ 2017, 519 m. Anm. Hauß.

b) Abzug von Versicherungsprämien

Eine Risikolebensversicherung dient weder der Vermögensbildung noch der Altersvorsorge. Sie kann vielmehr eine Hausfinanzierung bzw. den Ausfall der Arbeitskraft absichern. Beiträge hierfür können nach den Umständen des Einzelfalls auch dann berücksichtigt werden, wenn sie wegen der Höhe der Prämien eine besondere Belastung darstellen. Für die Frage der Absetzbarkeit kann auch Bedeutung gewinnen, wenn die Versicherung vor dem Bekanntwerden der Unterhaltsverpflichtung abgeschlossen wurde.[69]

[69] BGH NJW 2017, 1169 m. Anm. Reinken = NZFam 2017, 303 m. Anm. Norpoth = FamRZ 2017, 519 m. Anm. Hauß.

c) Vorteil mietfreien Wohnens

Wirtschaftliche Nutzungen wie die Gebrauchsvorteile einer selbstgenutzten Immobilie können die Leistungsfähigkeit des Kindes erhöhen.[70] Soweit bei einer Gegenüberstellung der ersparten Wohnkosten und der zu berücksichtigenden Belastung der Nutzungswert einer Immobilie den Aufwand übersteigt, ist die Differenz dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen hinzuzurechnen. Dabei ist der Wohnwert bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt nicht mit der bei einer Fremdvermietung erzielbaren objektiven Marktmiete, sondern auf der Grundlage der unter den gegebenen Verhältnissen ersparten Miete zu bemessen.[71]

Mit der Immobiliennutzung einhergehende, unterhaltsrechtlich berücksichtigungsfähige Belastungen mindern den Wohnvorteil. Insoweit war der Abzug von Tilgungsleistungen streitbefangen. Dazu hat der BGH nunmehr Stellung genommen: Neben den Zinsen sind die Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnvorteils vom Einkommen des Elternunterhaltspflichtigen abzuziehen, ohne dass dies seine Befugnis zur Bildung eines zusätzlichen Altersvorsorgevermögens schmälert. Der den Wohnvorteil dann noch übersteigende Tilgungsanteil ist als Vermögensbildung zulasten des Unterhaltsberechtigten im Rahmen der sekundären Altersvorsorge auf die Altersvorsorgequote von 5 % des Bruttoeinkommens des Elternunterhaltspflichtigen anzurechnen.[72] Nur ausnahmsweise kann ein dann noch verbleibender Rest der Tilgungsleistungen als unterhaltsrechtlicher Abzug anerkannt werden. Als Ausnahme kann in Betracht kommen, dass ohne Berücksichtigung die Immobilienfinanzierung gefährdet wäre oder der Unterhaltspflichtige sich nicht aus einem vor Bekanntwerden der Unterhaltspflicht abgeschlossenen Altersvorsorgevertrag lösen bzw. diesen nicht beitragsfrei stellen kann.[73]

[70] Zur Zurechnung des Wohnvorteils zum unterhaltsrelevanten Einkommen BGH NJW 2014, 1173 = FamRZ 2014, 538, 636.
[71] BGH NJW 2015, 1877 = FamRZ 2015, 1172; BGH NJW 2013, 3024 = FamRZ 2013, 1554.
[72] BGH NJW 2017, 1169 m. Anm. Reinken = NZFam 2017, 303 m. Anm. Norpoth = FamRZ 2017, 519 m. Anm. Hauß = FF 2017, 321 m. Anm. Engels.
[73] So der BGH NJW 2017, 1169 unter Hinweis auf BGH FamRZ 2003, 1179.

d) Vorrangige Unterhaltsverpflichtungen

Im Rahmen des Elternunterhalts sind vorrangige Unterhaltspflichten als sonstige Verpflichtungen i.S.d. § 1603 Abs. 1 BGB grundsätzlich zu beachten und vom Einkommen vorab abzusetzen. Leistet das getrenntlebende unterhaltspflichtige Kind dem in seinem Haushalt lebenden minderjährigen Kind Naturalunterhalt/Betreuungsunterhalt, ist dieser im Rahmen der Prüfung der Leistungsfähigkeit nicht zu monetarisieren, denn dieser ist nicht auf eine Geldleistung gerichtet. Vom Einkommen des betreuenden Elternteils ist aber ein anderweitig nicht gedeckter vorrangiger Barunterhalt abzusetzen. Dabei ist der Unterhaltsbedarf des betreuten Kindes bei beiderseitiger Erwerbstätigkeit der Eltern nach den zusammengerechneten Elterneinkünften zu bemessen und dieser Bedarf um das hälftige Kindergeld zu reduzieren. Der danach verbleibende Bedarf wird grundsätzlich überwiegend durch die Zahlung des barunterhaltspflichtigen Elternteils gedeckt. Ist dies nicht der Fall, muss der betreuende Elternteil neben dem Betreuungsunterhalt den verbleibenden Barunterhalt in Form von Naturalunterhalt schließen. Dieser Betrag ist vom Einkommen des betreuenden Elternteils abzusetzen. Die dem betreuenden Elternteil zufließende andere Hälfte des Kindergeldes erhöht dessen Einkommen nicht, denn diese Hälfte unterstützt ihn bei seinen Betreuungsleistungen. Sie ermöglicht ihm Ausgaben im Zusammenhang mit der Betreuungsleistung, die nicht zum unterhaltsrechtlichen Bedarf des Kindes zählen, etwa ein eigenes Eintrittsgeld bei der Begleitung des Kin...

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