Die Rente ist zu gering, Großeltern altern, ein Gatte verstirbt, plötzlich auftretende Krankheiten oder ein schleichender Prozess führen zum Pflegefall. Früher oder später wird ein Punkt erreicht, von dem an ältere Menschen ihren Alltag nicht mehr aus eigener Kraft bewältigen können. Jetzt sind es die Großeltern, die auf die Hilfen ihrer Familie angewiesen sind. Diese erfahren sie vornehmlich durch die eigenen Kinder. Als Empfänger materieller Leistungen treten Großeltern hingegen selten in Erscheinung. Zwar finden sich immer wieder Fälle, in denen Kinder zum Einkommen ihrer Eltern beitragen. Der Anteil ist aber sehr gering. Noch niedriger ist die Zahl der Enkel, die ihren Großeltern finanziell unter die Arme greifen.
Angesichts der geringen Bedeutung und der unsicheren Datenlage zur materiellen Unterstützung soll der Fokus auf die Pflegebedürftigkeit älterer Menschen gerichtet werden. Auch wenn Enkel nur selten bei der Pflege helfen, wäre es ein Fehlschluss, dass sie hiervon nicht betroffen wären. Erwachsene Enkelkinder können bei Demenzerkrankungen für die Großeltern bedeutsame Kontakt- und Bezugspersonen sein. Im Übrigen bleibt niemand davon unberührt, wenn ein Familienangehöriger pflegebedürftig wird. Das für die Pflege erforderliche zeitliche Engagement ist eine große persönliche Herausforderung und belastet dementsprechend die ganze Familie. Alle hierzu vorliegenden Berichte warnen vor der Gefahr einer physischen und psychischen Überlastung.
a) Häusliche Pflege
Die Betroffenen bevorzugen die häusliche Pflege, die auch das Gesetz an die erste Stelle stellt. In nahezu ¾ aller Pflegefälle erfolgt die Pflege im eigenen Haushalt. Bei knapp der Hälfte aller Pflegefälle sind es ausschließlich Angehörige, Freunde und Nachbarn, die diese Versorgung erbringen. In einem weiteren Viertel besteht eine Unterstützung oder auch Vollversorgung durch ambulante Pflegedienste. Der beeindruckend große Anteil häuslicher Pflege beruht vor allem darauf, dass Ehepartner oder Lebensgefährten diese Aufgabe übernehmen. Die Zahlen entsprechen daher nicht dem Anteil der Hilfen durch die Kinder und Schwiegerkinder.
Welchen Stellenwert hat diese Hilfe, wenn wirtschaftlich längst selbstständige Kinder helfend tätig werden? Wir treffen hier auf ein Phänomen, das bereits aus der Kinderbetreuung bekannt ist: Das sich noch einmal verschärfende Problem der Vereinbarkeit von Beruf und häuslicher Pflegetätigkeit. Auch hier sind es vor allem die Töchter und Schwiegertöchter, denen diese Aufgabe zufällt. Die Bemühungen des Gesetzgebers, mit dem Pflegezeitgesetz und dem Familienpflegezeitgesetz die Rahmenbedingungen zu verbessern, waren zwar gut gemeint, blieben aber praktisch wirkungslos. So wird auch hier die einen hohen Einsatz fordernde Familienarbeit – neuerdings auch "care-work" genannt – unsichtbar. Die ansonsten so wichtigen Kriterien wie Eigenverantwortung und ökonomische Selbstständigkeit verblassen, wenn die Leistung nicht als das betrachtet wird, was sie ist: eine herausfordernde Arbeit.
Nach den durchaus realistischen Annahmen des Gesetzgebers erfordert die Pflege einen Zeitaufwand von sechs bis neun Stunden täglich – allerdings bei einer 7-Tage Woche. Damit entspricht der Einsatz beim Pflegegrad 2 bereits einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit und kann beim Pflegegrad 5 durchaus 80 Wochenstunden erreichen. Wird diese Pflege durch Angehörige geleistet, handelt es sich nach dem Verständnis des Gesetzgebers um eine ehrenamtliche Tätigkeit und nicht etwa um ein Beschäftigungsverhältnis. Anstelle einer marktüblichen Vergütung wird dem Pflegebedürftigen ein Pflegegeld gezahlt, um seinen Helfern eine materielle Anerkennung für ihre Unterstützung zukommen zu lassen. Das Pflegegeld beträgt je nach Pflegegrad zwischen 316 und 901 EUR.
Dieses Konstrukt liegt in der Tradition der deutschen Sozialgesetzgebung. Das Bundesverfassungsgericht hat die Differenzierung zwischen den mit einem Marktpreis zu vergütenden Pflegesachleistungen und den selbst beschafften privaten Pflegeleistungen als grundgesetzkonform gebilligt. Zur Begründung bezieht es sich auf die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Dieser habe die Unterstützung bei der Pflege nicht nur als sittliche Pflicht betrachtet, sondern in den §§ 1353, 1618a BGB als Rechtspflicht ausgestaltet. Dies erscheint als eine gewagte Interpretation, gehören doch alle alters- oder krankheitsbedingt zusätzlich entstehenden Bedürfnisse zum notwendigen Lebensbedarf. In welchem Umfang Dritte hierfür einzustehen haben, regelt spezialgesetzlich das Unterhaltsrecht. An der Einordnung als Unterhalt ändert sich auch dann nichts, wenn Angehörige tätig werden, ohne dass eine rechtliche Verpflichtung besteht.
Dabei gerät in Vergessenheit, dass sich den Verzicht auf eine angemessene Vergütung nur jemand leisten kann, dessen Lebensunterhalt bereits aus dem Erwerbsei...