Die Betroffenen bevorzugen die häusliche Pflege, die auch das Gesetz an die erste Stelle stellt. In nahezu ¾ aller Pflegefälle erfolgt die Pflege im eigenen Haushalt. Bei knapp der Hälfte aller Pflegefälle sind es ausschließlich Angehörige, Freunde und Nachbarn, die diese Versorgung erbringen. In einem weiteren Viertel besteht eine Unterstützung oder auch Vollversorgung durch ambulante Pflegedienste. Der beeindruckend große Anteil häuslicher Pflege beruht vor allem darauf, dass Ehepartner oder Lebensgefährten diese Aufgabe übernehmen. Die Zahlen entsprechen daher nicht dem Anteil der Hilfen durch die Kinder und Schwiegerkinder.
Welchen Stellenwert hat diese Hilfe, wenn wirtschaftlich längst selbstständige Kinder helfend tätig werden? Wir treffen hier auf ein Phänomen, das bereits aus der Kinderbetreuung bekannt ist: Das sich noch einmal verschärfende Problem der Vereinbarkeit von Beruf und häuslicher Pflegetätigkeit. Auch hier sind es vor allem die Töchter und Schwiegertöchter, denen diese Aufgabe zufällt. Die Bemühungen des Gesetzgebers, mit dem Pflegezeitgesetz und dem Familienpflegezeitgesetz die Rahmenbedingungen zu verbessern, waren zwar gut gemeint, blieben aber praktisch wirkungslos. So wird auch hier die einen hohen Einsatz fordernde Familienarbeit – neuerdings auch "care-work" genannt – unsichtbar. Die ansonsten so wichtigen Kriterien wie Eigenverantwortung und ökonomische Selbstständigkeit verblassen, wenn die Leistung nicht als das betrachtet wird, was sie ist: eine herausfordernde Arbeit.
Nach den durchaus realistischen Annahmen des Gesetzgebers erfordert die Pflege einen Zeitaufwand von sechs bis neun Stunden täglich – allerdings bei einer 7-Tage Woche. Damit entspricht der Einsatz beim Pflegegrad 2 bereits einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit und kann beim Pflegegrad 5 durchaus 80 Wochenstunden erreichen. Wird diese Pflege durch Angehörige geleistet, handelt es sich nach dem Verständnis des Gesetzgebers um eine ehrenamtliche Tätigkeit und nicht etwa um ein Beschäftigungsverhältnis. Anstelle einer marktüblichen Vergütung wird dem Pflegebedürftigen ein Pflegegeld gezahlt, um seinen Helfern eine materielle Anerkennung für ihre Unterstützung zukommen zu lassen. Das Pflegegeld beträgt je nach Pflegegrad zwischen 316 und 901 EUR.
Dieses Konstrukt liegt in der Tradition der deutschen Sozialgesetzgebung. Das Bundesverfassungsgericht hat die Differenzierung zwischen den mit einem Marktpreis zu vergütenden Pflegesachleistungen und den selbst beschafften privaten Pflegeleistungen als grundgesetzkonform gebilligt. Zur Begründung bezieht es sich auf die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Dieser habe die Unterstützung bei der Pflege nicht nur als sittliche Pflicht betrachtet, sondern in den §§ 1353, 1618a BGB als Rechtspflicht ausgestaltet. Dies erscheint als eine gewagte Interpretation, gehören doch alle alters- oder krankheitsbedingt zusätzlich entstehenden Bedürfnisse zum notwendigen Lebensbedarf. In welchem Umfang Dritte hierfür einzustehen haben, regelt spezialgesetzlich das Unterhaltsrecht. An der Einordnung als Unterhalt ändert sich auch dann nichts, wenn Angehörige tätig werden, ohne dass eine rechtliche Verpflichtung besteht.
Dabei gerät in Vergessenheit, dass sich den Verzicht auf eine angemessene Vergütung nur jemand leisten kann, dessen Lebensunterhalt bereits aus dem Erwerbseinkommen eines Dritten (Ehegatten) oder auf andere Art und Weise (z.B. eigene Rente, Unterhalt) gesichert ist. Dies wird im politischen Entscheidungsprozess nicht artikuliert, hat aber große praktische Bedeutung für getrenntlebende Ehegatten. Denn die Schutzvorschrift des § 13 Abs. 6 SGB XI – Pflegegeld ist bei anderen Sozialleistungen und Unterhaltsansprüchen nicht anzurechnen – greift nicht ein, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte eigene Angehörige pflegt. Das Pflegegeld wird zum Einkommen des Pflegenden, genügt angesichts seiner geringen Höhe aber nicht zur Deckung des laufenden Bedarfs. Also besteht weiterhin ein Unterhaltsanspruch oder dieser entfällt aufgrund der Zurechnung einer im Rahmen der Altenpflege üblicherweise zu erreichenden Vergütung. Dabei hat der geschiedene Ehegatte auch noch zu bedenken, dass das Pflegeverhältnis mit dem Tod endet. Wie der BGH bereits entschieden hat, muss er sich daher rechtzeitig um eine Anschlusstätigkeit bemühen.
Wie immer man es betrachtet – mit der Übernahme pflegerischer Aufgaben innerhalb der Familie verbinden sich für Erwerbstätige genauso große Risiken für den Erhalt einer wirtschaftlich selbstständigen Lebensstellung, wie es für die Zeiten der Kinderbetreuung bereits bekannt ist.
In diesem Zusammenhang ist noch eine erbrechtliche Vorschrift zu erwähnen. Anlässlich der Neuregelung des Nichtehelichenrechts hat der Gesetzgeber mit § 2057a BGB einen besonderen Ausgleichsanspruch in das Gesetz eingefügt. Dieser bezweckt einen gerechten Ausgleich zugunsten des Kindes, das u.a. den Erblasser für längere Zeit unentgeltlich gepflegt und dadurch zum Erhalt ...