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Der folgende Text schließt unmittelbar an den in FF 6/2018, 230 ff. abgedruckten Teil 1 des Aufsatzes – mit diesen Inhalten – an:
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I. Vorrede
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II. Wie wird man Großmutter und Großvater?
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III. Weshalb Großeltern? – ihre Bedeutung für die Familie
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IV. Großeltern im familiären Netz
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1. Familiäre Beziehungen
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a) Großeltern – Kinder – Enkel
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b) Umgangsrecht
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2. Kinderbetreuung
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3. Ersatzeltern
V. Transfers zwischen den Generationen
1. Zuwendungen an Kinder
Neben die persönliche Beziehung und Unterstützung treten die materiellen Leistungen. Die Bedeutung finanzieller Transfers ist keineswegs geringer, unterscheidet sich aber in einem wesentlichen Punkt: Persönliche Hilfen werden unmittelbar erbracht. Eine materielle Unterstützung setzt hingegen ausreichendes Einkommen oder Kapital voraus. Sind die Einkommensverhältnisse prekär, ist auch keine großzügige finanzielle Unterstützung zu erwarten, während wohlhabende Großeltern erhebliche Geldmittel zur Verfügung stellen können und dies auch tun. Mit der wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Kinder enden zwar die finanziellen Verpflichtungen, nicht aber die Bereitschaft zu freiwilligen Hilfen. Man muss es sich nur leisten können – so wie der Vater, der seinen Betrieb unentgeltlich auf seinen Sohn übertragen und aus diesem Anlass seiner Tochter 500.000 EUR geschenkt hatte, um ihr ein gutes Leben zu ermöglichen. Auch seine drei Enkelkinder gingen nicht leer aus.
Nach den Daten des Alterssurveys von 2014 hat sich im Vergleich zu 1996 die Zahl der Personen, die ihre Kinder durch Sach- und Geldgeschenke unterstützen, von rund 30 % auf rund 38 % erhöht, bei den Leistungen an die Enkel wird mit zuletzt 28 % sogar nahezu eine Verdoppelung des Anteils erreicht. In der gleichen Zeit ist der Anteil an familiärer Unterstützung bei den täglichen Hilfen für Ältere zur Bewältigung des Alltags von knapp 20 % auf unter 12 % gesunken.
Bei namhaften Geld- und Sachzuwendungen ist die Leistungsebene eindeutig. Der monetäre Transfer entspricht der Generationenfolge und der Abstammungslinie. Eltern unterstützen vornehmlich ihre eigenen Kinder, direkte Zuwendungen an Schwiegerkinder bilden die Ausnahme. Dieser Befund ist ein weiterer Beleg für die bereits zuvor angesprochene Bedeutung der biologischen Abstammung. In der familienrechtlichen Rechtsprechung zeigt sie sich in dem Bestreben, Zuwendungen an die Schwiegerkinder nach einer gescheiterten Ehe rückgängig zu machen. Betrachtet man die wirklichen Motive, nämlich die Unterstützung der Familie, ließen sich die widerstreitenden Interessen ggf. über eine Vereinbarung lösen, welche den Erhalt des Kapitals für die Enkel gewährleistet. Hingegen ist das Scheitern der Ehe kein Grund, die Schenkungen an das eigene Kind zurückzufordern. Die großzügig bedachte Tochter musste daher das verbliebene Kapital für ihren Unterhalt verwenden.
Problematisch wird es immer dann, wenn sich die Eltern bei den Zuwendungen keine Gedanken über die zivilrechtlichen Zusammenhänge gemacht haben, der Empfänger also nicht eindeutig bestimmt ist. Die familienrechtliche Rechtsprechung ist dann bemüht, den Berechtigten nachträglich zu bestimmen – eine tatsächliche Vermutung, es sei das jeweils eigene Kind, erkennt sie bislang nicht an. Es erscheint jedoch eher sachgerecht, der Auffassung von Wever zu folgen und im Zweifel von einer Zuwendung an das eigene Kind auszugehen. Denn dies entspricht regelmäßig dem Willen der Eltern, mag dieser auch nur sehr unvollkommen ausgedrückt worden sein.
Zwar erfolgen die Zahlungen an die erwachsenen Kinder, mittelbar begünstigt werden aber zugleich die Enkel. Erst diese wecken vielfach die Bereitschaft der Großeltern, sich auf großzügige lebzeitige Zuwendungen einzulassen. Entgegen einem verbreiteten Sprachgebrauch erfolgen sie dementsprechend nicht "um der Ehe" willen, sondern sollen der jungen Familie als Ganzes dienen – also letztlich die Lebenssituation für das Aufwachsen der Enkel verbessern. Solche Zuwendungen sind dabei keineswegs uneigennützig. Geld- und Sachleistungen sind ein wichtiges Schmiermittel zur innerfamiliären Beziehungspflege. Was die Großeltern geben, begünstigt gleichermaßen Kinder wie Enkel und kann diese ihrerseits zur Unterstützung motivieren.
Sieht man einmal von akuten Notfällen ab, stehen lebzeitige Zuwendungen in einem erbrechtlichen Kontext. Dies regeln Verträge über die vorzeitige Vermögensübertragung explizit, es kann aber ebenso stillschweigend der Fall sein. Wird Vermögen auf die jüngere Generation übertragen, ist es für die Kapitalbilanz unerheblich, ob sich dies zu Lebzeiten oder durch Erbschaft vollzieht. Für die Ausstattung der jungen Familie und die innerfamiliären Beziehungen ist der Zeitpunkt sehr wohl erheblich. Der Finanzbedarf der Kinder wird mit der Familiengründung drängender. Ein Erbfall ist hingegen regelmäßig erst in der zweiten Lebenshälfte zu erwarten, wenn die Aufbauphase längst abgeschlossen ist. Das Interesse der Kinder an einer vorzeitigen Zuwendung ist daher verständlich und verständnisvolle Eltern lassen sich auch auf solche Wünsche ein. ...