Der BGH hatte erneut Gelegenheit, die Voraussetzungen der Verwirkung von rückständigem Unterhalt nach § 242 BGB zu konkretisieren. Diese vom Unterhaltspflichtigen bei länger zurückliegenden Unterhaltszeiträumen vielfach vorgebrachte Einwendung ist insbesondere im Blick auf das sog. Umstandsmoment in der Praxis problematisch.
Eine Verwirkung nach allgemeinen Grundsätzen kann in Betracht kommen, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen wird. Geht es um Unterhaltsrückstände, spricht vieles dafür, an das sog. Zeitmoment der Verwirkung keine strengen Anforderungen zu stellen, sodass das Zeitmoment auch dann erfüllt sein kann, wenn die Rückstände Zeitabschnitte betreffen, die etwas mehr als ein Jahr zurückliegen.
Zum reinen Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen. Der Vertrauenstatbestand kann nicht durch bloßen Zeitablauf geschaffen werden. Dementsprechend kann ein bloßes Unterlassen der Geltendmachung des Anspruchs für sich genommen kein berechtigtes Vertrauen des Schuldners auslösen. Dies gilt nicht nur für eine bloße Untätigkeit des Gläubigers, sondern grundsätzlich auch für die von diesem unterlassene Fortsetzung einer bereits begonnenen Geltendmachung. Auch wenn der Gläubiger davon absieht, sein Recht weiter zu verfolgen, kann dies für den Schuldner nur dann berechtigterweise Vertrauen auf eine Nichtgeltendmachung hervorrufen, wenn das Verhalten des Gläubigers Grund zu der Annahme gibt, der Unterhaltsberechtigte werde diesen Unterhaltsanspruch endgültig nicht mehr geltend machen, insbesondere weil er seinen Rechtsstandpunkt aufgegeben hat.
Der BGH entscheidet ferner dahin, dass ein nicht geltend gemachter Unterhaltsanspruch grundsätzlich schon vor Eintritt der Verjährung verwirkt sein kann und auch die für die Verjährung geltende Regelung in § 207 BGB eine Verwirkung nicht ausschließt. Für den Trennungsunterhalt hat der BGH die Hemmung während bestehender Ehe nach § 204 S. 1 BGB i.d.F. vom 1.1.1964 nicht als Hinderungsgrund für die Verwirkung angesehen. Ebenso hat der BGH beim Minderjährigenunterhalt in Bezug auf die Hemmung nach § 204 S. 2 BGB i.d.F. vom 1.1.1964 entschieden.
Autor: Werner Reinken , Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht a.D.
FF, S. 271 - 285