GG Art. 1 Abs. 1 2 Abs. 1; BGB § 185 § 823 Abs. 2, 1004; StGB §§ 185 ff.
Leitsatz
1. Innerhalb des engsten Familienkreises besteht ein ehrschutzfreier Raum, der es ermöglicht sich frei anzusprechen, ohne gerichtliche Verfolgung befürchten zu müssen.
2. Behauptet die Schwiegermutter gegenüber ihrer Schwester und Mutter, dass ihr Schwiegersohn seine Familienmitglieder misshandle, hat letzterer keinen Anspruch auf Unterlassung.
OLG Frankfurt, Urt. v. 17.1.2019 – 16 W 54/18
1 Gründe:
[1] I. Der Verfügungskläger (nachfolgend Kläger) begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung – gerichtet auf Unterlassung der Behauptung und/oder Verbreitung einer Vielzahl von Äußerungen, die die Verfügungsbeklagte (nachfolgend Beklagte) in dem als Anlage ASt. 1 vorgelegten "Protokoll zu Misshandlungen" aufgestellt hatte, das sie als Anlage in einer an ihre Schwester gerichteten WhatsApp am … 2018 mit der Bitte um Weiterleitung an die gemeinsame Mutter übermittelt hatte.
[2] Der Kläger ist mit der Tochter der Beklagten verheiratet, mit welcher er zwei gemeinsame Kinder (A – … Jahre und B – … Jahre) hat. Anfang des Jahres 2016 kam es zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau wegen einer außerehelichen Affäre des Klägers zu einem heftigen Ehestreit. Nach Darstellung des Klägers habe der gemeinsame Sohn aufgrund des Streits seiner Eltern angefangen, zu weinen. Da er trotz entsprechender Aufforderung nicht in sein Zimmer habe gehen wollen, habe er ihn dorthin gebracht, wobei er den Jungen infolge seiner eigenen emotionalen Ausnahmesituation am Nacken/Halsbereich gefasst und ihn von hinten gedrückt ("geschupst") habe, damit er ein wenig schneller laufe. Anschließend verließ der Kläger das Haus und seine Ehefrau nahm ein Video ihres weinenden Sohnes auf. Dieses zeigt den weinenden Jungen, der mit beiden Händen seinen Hals umfasst und auf Nachfrage seiner Mutter, was denn passiert sei, sagt, der Papa habe ihn geschupst. Auf die weitere Frage seiner Mutter: "Der Papa macht das öfters, gell?", nickt der Junge. Laut Kläger habe seine Ehefrau das Video ausschließlich deshalb gefertigt, um in einem möglichen Rechtsstreit wegen des Sorgerechts für die gemeinsamen Kinder ein mögliches Druckmittel gegen ihn zu haben. Im Anschluss gab diese das Video der Beklagten (ihrer Mutter), welche es aufbewahren und für einen etwaigen Sorgerechtsstreit sichern sollte. Wenige Wochen später kam es zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau zur Versöhnung. Keine der beiden Seiten stellte einen Scheidungsantrag und das Ehepaar ist noch heute verheiratet.
[3] Am 13.9.2018 stellte die Beklagte bei der Kriminalpolizei Stadt2 Strafanzeige gegen den Kläger wegen Kindesmisshandlung. Außerdem gab sie dort an, dass der Kläger seine Ehefrau und die gemeinsamen Kinder bedrohe, und legte zur Bekräftigung ihrer Aussage das hier als Anlage ASt. 1 vorgelegte Schreiben sowie das streitgegenständliche Video vor. In der Folgezeit suchte die Beklagte das Jugendamt auf und erklärt auch dort unter Vorlage des Schreibens und Videos, dass der Kläger seine Kinder misshandele.
[4] Am … 2018 versandte die Beklagte per WhatsApp an ihre Schwester, Frau C, eine WhatsApp mit folgendem Wortlaut: "Hallo C, bevor du mich vorverurteilst schicke ich dir das Video und einen Bericht! Jahrelang habe ich den Mund gehalten, aber ich kann nicht mehr zusehen, seit Jahren! Nur Terror und nach außen die Superfamilie (…)". Zusammen mit der Nachricht wurde Frau C das als Anlage ASt. 1 vorgelegte "Protokoll zu Misshandlungen" und das als Anlage ASt. 4 vorgelegte Video übermittelt. In dem Protokoll werden einzelne Vorfälle dokumentiert, in denen es zu physischer und psychischer Gewalt des Klägers gegen seine Ehefrau und seine Kinder gekommen sein soll. Am selben Tag übersandte die Beklagte ihrer Schwester eine Sprachnachricht. Darin heißt es unter anderem: "Ich halte dich da raus (…). Ich habe mit Mutti telefoniert, dass du ihr das mal zeigst und diesen Bericht gibst. Mehr will ich nicht (…). Ich ziehe das alleine durch. Ich habe Zeugen dazu und alle sowas" (Anlage ASt. 6).
[5] Mit Beschl. v. … 2018, auf den wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht den Verfügungsantrag des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe einen Verfügungsgrund nicht glaubhaft machen können. Den Vortrag des Klägers als wahr unterstellt, dass die Beklagte das als Anlage ASt. 1 beigefügte Schreiben nebst Video bereits an Dritte mit der Bitte um Weiterleitung weitergegeben habe, begründe dieser keine besondere Dringlichkeit. Es sei nicht erkennbar, dass von der Beklagten unmittelbar die Gefahr einer weiteren Rechtsverletzung ausgehe, die eine gerichtliche Unterlassungsverfügung rechtfertige. Vielmehr sei nach dem klägerischen Vortrag die Rechtsverletzung durch die Beklagte bereits eingetreten. Ebenso wenig sei erkennbar, dass die weiteren Schritte, die die Beklagte in ihrer Sprachnachricht angekündigt habe, diejenigen seien, deren Unterlassung ihr nach dem Antrag des Klägers a...