Der BGH musste sich im vorliegenden Fall nicht näher mit den Voraussetzungen des Anspruchs auf Altersunterhalt nach § 1571 BGB befassen, weil die Verhältnisse unstreitig waren. Die Berechtigte war als anerkannte Schwerbehinderte mit 63 Jahren in Rente gegangen (§ 37 SGB VI a.F.). Streit über die Pflicht zu einer Erwerbstätigkeit trotz der Schwerbehinderung bestand zudem nicht.
Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Altersunterhalt nach § 1571 BGB festzustellen, ist allerdings nicht immer einfach. Das Gesetz verlangt zusätzlich zu einem der in § 1571 Nr. 1 bis 3 BGB genannten Einsatzzeitpunkte, dass vom Berechtigten wegen seines Alters eine angemessene Erwerbstätigkeit nicht mehr erwartet werden kann. Wann dies der Fall ist, definiert das Gesetz nicht. Insbesondere hat der Gesetzgeber von einer festen Altersgrenze abgesehen.
a) Leicht fällt die Feststellung, wenn der Berechtigte das Regelrentenalter erreicht hat. Dann besteht auf jeden Fall ein Anspruch nach § 1571 BGB. Zu beachten ist, dass mit dem RVAltGrAnpG vom 20.4.2007 (BGBl I 2007, 554) das Regelrentenalter gemäß § 35 SGB VI seit 1.1.2008 bei 67 Jahren liegt. Das wirkt sich aber nicht bei Personen aus, die bis zum 31.12.2011 65 Jahre alt geworden sind. Denn das angehobene Rentenalter gilt nur für die ab 1.1.1964 Geborenen. Für alle zwischen dem 1.1.1947 und dem 31.12.1963 geborenen Personen besteht ein "individuelles" Regelrentenalter (§ 235 SGB VI). Die Regelaltersgrenzen gelten auch für Selbstständige.
b) Schwieriger ist die Feststellung der Voraussetzungen von § 1571 BGB, wenn der Berechtigte vor dem Regelrentenalter in den Ruhestand geht. Dann kann wegen des Alters eine angemessene (§ 1574 Abs. 2 BGB) Erwerbstätigkeit nicht mehr erwartet werden, wenn typischerweise in diesem Alter und dieser Berufssparte keine angemessene Arbeit mehr gefunden werden kann. Das beurteilt sich stets allein nach unterhaltsrechtlichen Aspekten. Flexible Altersgrenzen oder vertraglich vereinbarte Vorruhestandsregelungen sind als solche nicht maßgeblich, ebenso wenig berufsgruppenbezogene besondere Altersgrenzen (z.B. bei Soldaten, Polizeibeamten, Piloten). Findet der Berechtigte wegen seines Alters dagegen nur oder überwiegend aufgrund der konkreten (z.B. konjunkturbedingten) Umstände keine angemessene Arbeitsstelle, kommt ein Anspruch nach § 1573 Abs. 1 BGB in Betracht.
c) Die Angemessenheit der Erwerbstätigkeit (§ 1574 Abs. 2 BGB) ist nicht mehr am Maßstab der ehelichen Lebensverhältnisse zu messen. Diese gelten nur noch als Korrektiv an der Grenze zur Unbilligkeit. Vorrangig ist auf die eigene Ausbildung, die Fähigkeiten, eine frühere Erwerbstätigkeit, Lebensalter und Gesundheitszustand des Berechtigten abzustellen. Es gilt sozusagen: Eine Verkäuferin bleibt eine Verkäuferin. Lediglich die Art des Geschäfts oder der Branche, in dem/der sie den Beruf auszuüben hat, kann sich durch sehr gute finanzielle eheliche Verhältnisse wandeln. So kann die Tätigkeit in einem gehobenen (Bekleidungs-)Geschäft für eine ungelernte Verkäuferin auch nach 25-jähriger Ehe angemessen sein, wenn die finanziellen Verhältnisse in der Ehe so gut waren, dass nachehelicher Unterhalt nach konkretem Bedarf geschuldet wird.