Die richtige Anspruchsgrundlage zu erkennen, ist durchaus nicht nur eine akademische Frage, sondern kann konkrete Folgen für den unterhaltsberechtigten Beteiligten haben.
a) Das gilt vor allem bei der Abänderung von Vollstreckungstiteln aus der Zeit vor der Unterhaltsreform. Im vorliegenden Fall war 1995 ein Aufstockungsunterhalt vereinbart worden, dessen Wegfall der Pflichtige ab 1.8.2007 begehrte. Zu diesem Zeitpunkt ging die Berechtigte in Rente. Der abzuändernde Anspruch stützte sich mit Rentenbeginn auf § 1571 BGB, Unterhalt wegen Alters. Dieser Anspruch war vor der Unterhaltsreform – im Gegensatz zu dem vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB – generell nicht befristbar. Der Kläger konnte unter diesem Aspekt mit seinem Antrag auf Wegfall der Unterhaltspflicht daher keinen Erfolg haben.
Allerdings war hier – und ist stets – zu prüfen, ob nicht dasselbe Ergebnis aufgrund einer Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs auf den angemessenen Lebensbedarf zu erzielen war. Eine solche war bei allen Unterhaltstatbeständen schon nach altem Recht grundsätzlich möglich (§ 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.) und bezog sich auf die Lebensstellung, die der Berechtigte vor der Ehe hatte bzw. ohne die Ehe gehabt hätte. Dafür ist der vorliegende Fall ein gutes Beispiel, weil die Renteneinkünfte der Berechtigten ab August 2007 höher waren als ihr Einkommen aus annähernd vollschichtiger Tätigkeit während der letzten 20 Jahre. Dieser Umstand spricht dafür, dass die Berechtigte ihren angemessenen Lebensbedarf schon ab Renteneintritt selbst bestreiten und der Pflichtige auf diesem Weg sein Ziel des Wegfalls seiner Unterhaltspflicht auch für die Zeit vor der Unterhaltsreform erreichen konnte. Diese Möglichkeit greift hier aber nur – es zeigt sich wieder, wie diffizil das Unterhaltsrecht ist –, weil der BGH mit Urteil vom 12.4.2006 seine Rechtsprechung zu den Voraussetzungen einer Begrenzung von Unterhaltsansprüchen weg vom Schwergewicht der Ehedauer hin zu den ehebedingten Nachteilen geändert hatte. Ohne diese Entscheidung hätte der Anspruch auch im August 2007 nicht herabgesetzt werden können, weil aufgrund der Kindererziehung die zu berücksichtigende Ehedauer einer Herabsetzung entgegengestanden hätte. Bei einer kinderlosen, langen Ehe käme es für eine Herabsetzung in der oben genannten Zeit maßgeblich darauf an, ob (noch) ehebedingte Nachteile bei der Berechtigten vorlagen.
Praxishinweis:
Der Anwalt des Berechtigten sollte darauf achten, dass vom Gericht zwischen Herabsetzung und Befristung klar unterschieden wird. Treten die unmittelbaren Wirkungen einer Befristung – nämlich Wegfall des Unterhaltsanspruchs – nur aufgrund einer Herabsetzung nach § 1578b BGB ein, weil der Berechtigte im Zeitpunkt der Entscheidung genug verdient, um den eigenen angemessenen Lebensstandard zu decken, darf in der gerichtlichen Entscheidung auch nur auf § 1578b Abs. 1 BGB Bezug genommen werden. Bei der Herabsetzung nach § 1578b Abs. 1 BGB geht der Anspruch als solcher – im Gegensatz zur Befristung nach § 1578b Abs. 2 BGB – nicht unter. Bei Änderung der Umstände, die für die Herabsetzung auf Null maßgebend gewesen sind, lebt er grundsätzlich wieder auf (z.B. bei Wegfall der im Entscheidungszeitpunkt noch nicht i.S.v. § 1573 Abs. 4 BGB gesicherten Arbeitsstelle).
b) Eine weitere Auswirkung bei Altfällen ergibt sich daraus, dass der Umstand, dass der Anspruch auf Altersunterhalt nach § 1571 BGB (Gleiches gilt für den Anspruch nach § 1572 BGB) früher nicht befristet werden durfte, unter Geltung des neuen Rechts beim Abwägungskriterium des Vertrauensschutzes (§ 36 Nr. 1 EGZPO) im Rahmen des § 1578b BGB besonders zu beachten ist. Dabei kommt es im Einzelfall auf die Zumutbarkeit der Abänderung, etwaige Dispositionen im Vertrauen auf den Unterhaltsanspruch und darauf an, ob der Anspruch tituliert war. Allerdings relativiert der BGH dieses Vertrauen regelmäßig mit Hinweis auf frühere Abänderungsanträge des Pflichtigen, auf die Gesetzesänderung, die nun eine Befristung vorsieht, oder auf § 36 Nr. 1 EGZPO, wonach eine Unabänderlichkeit eines Titels nicht die Regel, sondern die Ausnahme darstelle. Ein schützenswertes Vertrauen hat er allerdings bei 30 Jahre langer vorbehaltloser Zahlung mit Erhöhungen des Unterhaltsbetrags anerkannt, aufgrund derer die Berechtigte sozusagen eine negative Disposition getroffen hatte: Sie hatte von einer Erwerbstätigkeit abgesehen und konnte wenige Jahre vor der Rente dies nicht mehr auffangen.
c) Weitere Fälle: Beim Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB ist es wichtig zu differenzieren, ob er allein die Anspruchsgrundlage bildet oder ob sich ein Restanspruch auf § 1573 Abs. 2 BGB stützt. § 1570 BGB gibt nur einen Anspruch auf Unterhalt bis zum eigenen angemessenen Lebensstandard. Liegt dieser unter den ehelichen Lebensverhältnissen und besteht bereits eine Teilerwerbspflicht des Berechtigten, stützt sich ein Restanspruch auf § 1573 Abs. 2 BGB. Letzterer kann nach § 157...