a) Beim Unterhaltsanspruch wegen Betreuung von Kindern ab der Altersgrenze von drei Jahren ist zunächst der individuelle Umstand zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Kindesbetreuung auf andere Weise gesichert ist oder gesichert werden könnte (im Anschluss an Senatsurt. BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770).
b) An die für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts insbesondere aus kindbezogenen Gründen erforderlichen Darlegungen (hier: bei drei minderjährigen Kindern und von der Unterhaltsberechtigten zu leistenden Fahrdiensten an den Nachmittagen) sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen (im Anschluss an Senatsurt. v. 15.6.2011 – XII ZR 94/09, FamRZ 2011, 1375).
c) Zur Beurteilung einer überobligationsmäßigen Belastung im Rahmen der Verlängerung des Betreuungsunterhalts ist auch der Aspekt einer gerechten Lastenverteilung zwischen unterhaltsberechtigtem und unterhaltspflichtigem Elternteil zu berücksichtigen (im Anschluss an Senatsurt. BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770; BGHZ 177, 272 = FamRZ 2008, 1739 und v. 21.4.2010 – XII ZR 134/08, FamRZ 2010, 1050).
d) Hat der Unterhaltspflichtige nach dem – unterhaltsrechtlich nicht vorwerfbaren – Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung erhalten und hat er im Anschluss daran eine neue Arbeitsstelle mit dauerhaft geringerem Einkommen gefunden, so ist die Abfindung bis zur Höchstgrenze des Bedarfs aufgrund des früheren Einkommens grundsätzlich für den Unterhalt zu verwenden (im Anschluss an Senatsurt. BGHZ 172, 22 = FamRZ 2007, 983 und v. 2.6.2010 – XII ZR 138/08, FamRZ 2010, 1311; teilweise Aufgabe von Senatsurt. BGHZ 153, 358 = FamRZ 2003, 590).
e) Ob eine Aufstockung bis zum bisherigen Einkommen geboten ist und der bisherige Lebensstandard vollständig aufrechterhalten werden muss, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen, insbesondere auch nach der vom Unterhaltspflichtigen zu erwartenden weiteren Einkommensentwicklung.
BGH, Urt. v. 18.4.2012 – XII ZR 65/10 (OLG Schleswig, AG Bad Segeberg)
Anm. d. Red.: Die Entscheidung ist abgedruckt in FamRZ 2012, 1040 m. Anm. Borth.
Auch mehr als vier Jahre nach dem Inkrafttreten des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes zum 1.1.2008 bleibt die höchstrichterliche Rechtsprechung zu verschiedenen grundlegenden Fragestellungen des neuen Unterhaltsrechts umstritten. Hierzu gehören sicherlich die Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs eines geschiedenen Ehegatten wegen der Betreuung von Kindern. Im Anschluss an die in der Öffentlichkeit und der Fachpresse heftig kritisierte Entscheidung vom 15.6.2011 arbeitet der BGH im vorliegenden Urteil die grundlegenden Aspekte des § 1570 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 BGB (erneut) heraus. Macht sich hier eine Abweichung von der bislang vielfach als zu hart empfundenen Linie bemerkbar? Zusätzlich bezieht der Senat in der Entscheidung Stellung zu weiteren aktuellen Problembereichen des Unterhaltsrechts, die nachfolgend ebenfalls angesprochen werden sollen.