In Sorgerechtsverfahren haben die befassten Familiengerichte das Verfahren so zu gestalten, dass es geeignet ist, eine möglichst zuverlässige Grundlage für die zu treffende Entscheidung zu schaffen. Letztlich geht es hier um Grundrechtsschutz durch Verfahren (status activus processualis), der den materiellen Gehalt des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG absichern soll. Dies gilt erst recht im Verfahren der einstweiligen Anordnung (§ 49 FamFG), schon weil hier vorübergehend eine Trennung erfolgen kann, die mit Rechtsmitteln nicht angreifbar ist (§ 57 FamFG).
a) Untersuchung des Sachverhalts
Für die Familiengerichte ergibt sich aus Art. 6 Abs. 2 und 3 GG die Pflicht, "die dem Kind drohenden Schäden ihrer Art, Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit nach konkret zu benennen und sie vor dem Hintergrund des grundrechtlichen Schutzes vor der Trennung des Kindes von seinen Eltern zu bewerten". Während Entscheidungen der Jugendämter der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (§ 40 Abs. 1 VwGO) unterfallen, hat das Familiengericht im Rahmen des § 1666 BGB eine eigene und originäre Sachentscheidung zu treffen und darf sich insoweit nicht auf die Kontrolle behördlicher Feststellungen beschränken. Das Familiengericht hat bei der Entscheidung nach §§ 1666, 1666a BGB zu ermitteln, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Entziehung des Sorgerechts vorliegen, was sich bereits aus § 26 FamFG ergibt und eine behördliche Einschätzungsprärogative ebenso ausschließt wie eine Bindung an die Feststellungen des Jugendamtes. Das Familiengericht muss daher "sein Verfahren so gestalten, dass es selbst möglichst zuverlässig die Grundlage einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung erkennen kann". Dies ist vor allem in den Entscheidungsgründen nachvollziehbar darzustellen. Insoweit wird die materielle Prüfungspflicht mit einer formellen Darstellungspflicht verknüpft, die Inhalt, Prämissen und Vollständigkeit der Entscheidung erst rechtsstaatlich nachvollziehbar macht.
Auch ob der Gefahr für die Kinder nicht auf andere Weise als durch Trennung von den Eltern begegnet werden kann (§ 1666a Abs. 1 Satz 1 BGB), hat das Familiengericht in eigener Verantwortung zu beurteilen und sich hierzu eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen sowie darzulegen. Das Problem liegt hierbei in der Rechtswegspaltung, weil die vom Familiengericht mit zu berücksichtigenden Maßnahmen nur vom Jugendamt nach Maßgabe der §§ 27 ff. SGB VIII ergriffen werden können, das insoweit der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Praktisch gesehen bereitet dies erhebliche Probleme, weshalb eine abdrängende Sonderzuweisung zu den Familiengerichten de lege ferenda diskutiert wird. Die de lege lata mit einer unnötigen Aufspaltung des Rechtswegs praktisch eintretende Erschwernis, effektiven Rechtsschutz zu erlangen, dürfte schon aufgrund des in Kindschaftssachen besonderen Eilbedarfs weder mit Art. 19 Abs. 4 GG noch mit dem prozeduralen Gehalt des Art. 6 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 GG vereinbar sein, der eine Abarbeitung der Prüfungskaskade des abwägungsaffinen Verhältnismäßigkeitsgebots jedenfalls hinsichtlich der wesentlichen Eckpunkte des Maßnahmenpakets zum Schutz des Kindeswohls in einer einheitlichen, folgenorientierten Entscheidung verlangt. Eine Klärung der verfassungsrechtlichen Determinanten im Verhältnis von Familiengericht und Jugendamt steht insoweit weiterhin aus.
b) Sachverständigengutachten als Achillesferse familiengerichtlicher Praxis
Eine Schlüsselstellung nehmen oft Sachverständigengutachten ein, die eine Kindeswohlgefährdung näher au...