Der frühere Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio hat in diesem Zusammenhang von einer "Erosion familienzentrierter Lebensstile"[43] gesprochen. Dies hat möglicherweise auch damit zu tun, dass zwischenzeitlich Kinderlosigkeit in Deutschland kulturell positiv verankert ist (Leitbild der autonomiebetonten Kinderlosigkeit), während Kinderreichtum eher negativ besetzt ist.[44] Und es ist wohl auch nicht zufällig, dass der noch 2007 als Unwort des Jahres im Zusammenhang mit dem Betreuungsgeld verwendete Begriff der "Herdprämie", der Assoziationen zu dem landwirtschaftlichen Terminus der Mutterkuhprämie erweckt,[45] in familienpolitischen Diskussionen wieder salonfähig geworden ist.[46] Hierzu gehören auch die etwas milderen Begriffe des "Ernährer-Modells"[47] und des "Retraditionalisierungsschubs" junger (ostdeutscher) Frauen.[48] Das schlechte Gewissen, das Frauen früher hatten, wenn sie wegen der Anforderung der Arbeitswelt keine Zeit aufbrachten, sich um ihre Kinder zu kümmern,[49] müssen sie jetzt haben, wenn sie ihre Kinder nicht möglichst bald in die Krippe und die Vorschule geben, da sie damit an ihren verpassten Bildungs- und Einkommenschancen sowie einer eventuellen Altersarmut schuld sind.
Harald Martenstein hat dies im Zeitmagazin treffend kommentiert: Man soll Kinder in die Welt setzen, danach soll man diese Aufgabe möglichst schnell an bezahltes Personal delegieren, denn der Job ist natürlich das Wichtigste. Wenn du was über Liebe erzählst, wenn du das Loblied der Mütter und Väter singst, dann bist du ein gottverdammter Reaktionär.“[50]
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