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Das Bundesverfassungsgericht hat das Betreuungsgeld wegen der fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes gekippt. Die bayerische CSU hatte diese familienpolitisch umstrittene Leistung einst durchgeboxt und will sie nun nahtlos in einen landesrechtlichen Familienzuschuss umwandeln. Handelt es sich um bayerische Provinzialität oder um einen Aspekt der Familiengerechtigkeit?
I. Bundesbetreuungsgeld ohne Rechtsgrundlage
1. Was wurde entschieden?
Das Bundesverfassungsgericht hat das Betreuungsgeld mangels bundesrechtlicher Gesetzgebungskompetenz für verfassungswidrig erklärt. Materiell hat sich das Bundesverfassungsgericht mit dem Betreuungsgeld nicht befasst. Es ging somit bei dem Urteil nicht um Familienpolitik, sondern allein um Staatsorganisationsrecht, nämlich um die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit durch den Bund (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG). Pikanterweise hatte der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg gegen das Betreuungsgeldgesetz geklagt, obwohl Hamburg dasjenige der alten Bundesländer ist, das beim Betreuer-Kind-Verhältnis in Kindertageseinrichtungen konstant das Schlusslicht bildet und zwischenzeitlich sogar von einem der neuen Bundesländer diesbezüglich abgehängt wurde. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seiner Entscheidung auf diese Klage somit gar nicht mit der Frage befasst, welche R. Pisal, Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes e.V. (djb), als Bedeutung der Entscheidung hervorgehoben hat, nämlich der Frage, ob das Betreuungsgeld ein gleichstellungspolitischer Rückschritt ist.
2. Familienpolitische Forderungen der Bayerischen Verfassung
Nach Art. 125 Abs. 1 S. 2 BV haben Kinder Anspruch auf Entwicklung zu selbstbestimmungsfähigen und verantwortungsfähigen Persönlichkeiten. Art. 126 Abs. 1 BV ergänzt dies dahingehend, dass die Eltern das natürliche Recht und die oberste Pflicht haben, ihre Kinder zur leiblichen, geistigen und seelischen Tüchtigkeit zu erziehen. Die Eltern sind darin durch Staat und Gemeinden zu unterstützen. In persönlichen Erziehungsfragen gibt jedoch der Wille der Eltern den Ausschlag (Art. 126 Abs. 1 S. 3 BV). Das Erziehungsrecht der Eltern wird auch gegenüber den Religionsgemeinschaften und staatlich anerkannten weltanschaulichen Gemeinschaften betont (Art. 127 BV). Zusätzlich sieht Art. 125 Abs. 3 BV vor, dass kinderreiche Familien Anspruch auf angemessene Fürsorge, insbesondere auf gesunde Wohnungen haben. Die Bayerische Verfassung verpflichtet alle Träger öffentlicher Gewalt, ihr Wirken in den Dienst des Verfassungswertes "Familie" zu stellen. Konkrete Leistungsansprüche ergeben sich hieraus, insbesondere auch hinsichtlich einer angemessenen, das heißt einer bezahlbaren und auch räumlich großen Wohnung, nach überwiegender Ansicht nicht.
Das Erziehungsrecht der Eltern gehört zu den elementaren Grundrechten der Verfassung. Es war mehrfach Gegenstand von Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs. Wegen seines zur Wesensstruktur der Familie gehörenden vorstaatlichen Rechts hat der Wille der Eltern in "persönlichen Erziehungsfragen" danach entscheidende Bedeutung. Ihm kommt der "Primat" zu. Die Bayerische Verfassung räumt den Eltern die vorrangige Entscheidungsverantwortung für ihre Kinder ein, weil sie regelmäßig die Interessen ihrer Kinder am besten wahrnehmen. Sie anerkennt die grundsätzliche Entscheidungsfreiheit der Eltern hinsichtlich der Erziehung ihrer Kinder. Diese Bestimmung stammt im Wesentlichen von Wilhelm Högner und Hans Nawiasky, beides Staatsrechtler, die im Exil, auf der Flucht vor dem Hitler-Deutschland und in bewusster Abgrenzung zur nationalsozialistischen Familienpolitik die Bayerische Verfassung entwickelt haben.
Auch wenn das Grundgesetz am 20.5.1949 im Bayerischen Landtag mehrheitlich abgelehnt wurde, gilt es auch in Bayern (Art. 144 GG). Das Grundgesetz weicht hinsichtlich der Ausgestaltung des Elternrechts nicht von der (älteren) Bayerischen Verfassung ab. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG garantiert ebenfalls das "natürliche Recht" der Eltern zur Erziehung ihrer Kinder, das vom Staat nicht verliehen, sondern von ihm als vorgegebenes Recht anerkannt wird. Auch das BVerfG ...