BGB § 1353 Abs. 1 § 1578 Abs. 1 § 1581 § 1601 ff.; VersAusglG § 33 Abs. 1; ZPO § 894; SGB VI § 34 § 35 S. 2 § 42 Abs. 1 § 100 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
Der Unterhaltspflichtige kann sich gegenüber der unterhaltsberechtigten Person nicht darauf berufen, dass seine Leistungsfähigkeit eingeschränkt sei, wenn er aufgrund entsprechender Erklärung eine Altersrente gem. § 42 Abs. 1 SGB VI nur als Teilrente bezieht, ohne dass hierfür unterhaltsrechtlich erhebliche Umstände angeführt werden können. Aus dem aus § 1353 Abs. 1 BGB folgenden Rücksichtnahmegebot kann ein unterhaltsberechtigter (geschiedener) Ehegatte die Abgabe einer Willenserklärung gegenüber dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung auf Auszahlung einer Vollrente verlangen, die mit Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung nach § 894 ZPO als abgegeben gilt.
(LS des Einsenders)
OLG Celle, Beschl. v. 7.2.2018 – 21 WF 219/17 (AG Tostedt)
1 Gründe:
I. Die Beteiligten sind rechtskräftig geschiedene Ehegatten. Durch Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – T. vom … Juli 2009 wurden im Rahmen der Durchführung des Versorgungsausgleichs Anrechte des Antragsgegners in der gesetzlichen Rentenversicherung von monatlich 473,91 EUR im Wege des Splittings sowie weitere Anrechte von monatlich 49,70 EUR im Wege des erweiterten Splittings auf das Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragen.
Der Antragsgegner bezieht seit September 2016 die Regelaltersrente, und zwar auf seinen Antrag hin als Teilrente in Höhe von 2/3 der Vollrente. Die monatliche Rente beträgt 820,79 EUR netto. Die Antragstellerin bezieht noch keine Altersrente.
Durch Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – T. vom … November 2011 ist der Antragsgegner verpflichtet worden, an die Antragstellerin monatlichen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 589,00 EUR zu zahlen.
Die Antragstellerin hat in einem noch nicht abgeschlossenen Verfahren vor dem Amtsgericht – Familiengericht – T. die Aussetzung der durch den Versorgungsausgleich erfolgten Kürzung der Anrechte des Antragsgegners bei der gesetzlichen Rentenversicherung mit Wirkung ab Rentenbeginn in Höhe von monatlich 559,00 EUR beantragt und zur Begründung ausgeführt, dass ohne Aussetzung des Versorgungsausgleichs der Selbstbehalt des Antragsgegners berührt wäre.
In diesem Verfahren teilte die gesetzliche Rentenversicherung auf gerichtliche Anforderung mit, dass die Rente aufgrund des Versorgungsausgleichs in Höhe von 362,21 EUR gekürzt worden ist. Nur in dieser Höhe sei daher eine Anpassung gemäß § 33 Abs. 1 VersAusglG zulässig. Mit weiterem Schreiben vom 1.3.2017 wies die Deutsche Rentenversicherung Bund zur näheren Erläuterung des Kürzungsbetrags auf den Umstand hin, dass der Antragsgegner lediglich eine Teilaltersrente in Höhe von 2/3 erhält, sodass auch der Kürzungsbetrag – wie geschehen – aus der Teilrente zu ermitteln sei.
Die Antragstellerin begehrt im vorliegenden Verfahren, den Antragsgegner zu verpflichten, bei der Deutschen Rentenversicherung Bund zu seiner Versicherungsnummer rückwirkend einen Antrag auf Vollrente zu stellen. Der Antragsgegner habe die Teilrente offenkundig lediglich deshalb beantragt, um die Pfändung der Rentenzahlung durch die Antragstellerin wegen ihrer Ansprüche auf rückständigen und laufenden Unterhalt zu vereiteln. Durch den Antrag auf Vollrente erleide der Antragsgegner keinerlei Nachteile. Ihm obliege es als unterhaltspflichtiger Person, den Vorteil einer Vollrente in Anspruch zu nehmen. Die Antragstellerin sei zur Realisierung bereits aufgelaufener titulierter Unterhaltsrückstände auf die bei Bezug einer Vollrente deutlich höheren Pfändungsbeträge angewiesen.
Der – bisher nicht anwaltlich vertretene – Antragsgegner vertritt die Auffassung, der Bezug der Vollrente biete ihm keine Vorteile, weil er das Geld nicht benötige und der nicht in Anspruch genommene Teil durch Zinseszinsen die Gesamtrente bis zu Inanspruchnahme der Vollrente erhöhe.
Das Amtsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe mit der Begründung zurückgewiesen, es bestehe kein Anspruch auf Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung. Dieser könne nicht als Nebenpflicht zur Unterhaltspflicht angesehen werden. Ein Anspruch folge auch nicht aus der nachehelichen Solidarität.
II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 und 2 FamFG, §§ 127 Abs. 2 S. 2 und 3, 569 Abs. 1 S. 1 und 2 ZPO zulässig und begründet.
Gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 und 2 FamFG, § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten des Verfahrens nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Verfahrenskostenhilfe nur dann versagt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint.
1. Die Rechtsfrage, ob aus der Unterhaltsverpflichtung allgemein, aus den Obliegenheiten eines Unterhaltspflichtigen zur Wahrung seiner Leistungsfähigkeit gemäß § 1581 BGB oder aus den Grundsätzen zur Unterhaltsbemessung ...