rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Aus der Landeskasse gezahlte Aufwandsentschädigungen an eine ehrenamtliche Betreuerin können steuerpflichtig sein
Leitsatz (redaktionell)
1. Aufwandsentschädigungen aus der Landeskasse an eine ehrenamtliche Betreuerin aus dem Titel „Auslagen in Rechtssachen” des Staatshaushalts sind nicht nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei, denn die Ausweisung im Haushaltsplan als Aufwandsentschädigung ist weitere Voraussetzung für die Steuerfreiheit des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG.
2. Aus der Zusammenschau der Gesetzgebungsgeschichte und der Zweckrichtung von § 3 Nr. 12 Satz 1 und Nr. 26b EStG ist erkennbar, dass der Steuerfreibetrag für ehrenamtlich geleistete Rechtsbetreuungen erstmals durch § 3 Nr. 26b EStG geschaffen und von Anfang an auf die Höhe des sog. Übungsleiterfreibetrags des § 3 Nr. 26 EStG beschränkt werden sollte.
3. § 3 Nr. 26b EStG geht als „lex specialis” § 3 Nr. 12 EStG vor.
Normenkette
EStG § 3 Nrn. 12, 26, 26b; BGB § 1835a
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die steuerliche Behandlung von Vergütungen, die die Klägerin in den Streitjahren 2011 bis 2014 als ehrenamtliche Betreuerin in einem im Bereich der Behindertenhilfe tätigen gemeinnützigen Sozialunternehmen erzielt hat. Der gezahlte Aufwendungsersatz nach § 1835a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) wurde jeweils aus der Staatskasse entrichtet.
In den Einkommensteuererklärungen für 2012 bis 2014 hatte die Klägerin den erhaltenen Aufwendungsersatz für die Betreuertätigkeit angegeben und sich unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17. Oktober 2012 VIII R 57/09 (BFHE 239, 261, BStBl II 2013, 799) darauf berufen, dass die Vergütungen nach § 3 Nr. 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei seien. Für das Streitjahr 2011 hatte die Klägerin den aus der Staatskasse erhaltenen Aufwendungsersatz nach Aufforderung durch den Beklagten mitgeteilt und sich auch hier darauf berufen, dass dieser steuerfrei sei.
In den –zum Teil geänderten– Einkommensteuerbescheiden der zusammenveranlagten Kläger für 2011 vom 22. November 2013, für 2012 vom 29. Juni 2015, für 2013 vom 29. Juni 2015 und für 2014 vom 10. Dezember 2015 hatte der Beklagte die Vergütungen aus ehrenamtlicher Betreuung nach Abzug des Freibetrags gemäß § 3 Nr. 26b EStG als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit behandelt:
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2011 |
2012 |
2013 |
2014 |
Einnahmen |
7.106 EUR |
7.752 EUR |
7.904 EUR |
9.454 EUR |
./. Freibetrag § 3 Nr. 26b EStG |
2.100 EUR |
2.100 EUR |
2.400 EUR |
2.400 EUR |
Einkünfte |
5.006 EUR |
5.652 EUR |
5.504 EUR |
7.054 EUR. |
Gegen sämtliche Bescheide erhoben die Kläger unter erneuter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17. Oktober 2012 VIII R 57/09 (aaO) Einspruch. Die Befreiungen des § 3 EStG stünden gleichberechtigt nebeneinander, sodass der Auslagenersatz für die ehrenamtliche Tätigkeit, den die Klägerin ausschließlich aus der Staatskasse erhalten habe, weiterhin nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei sei. Der Hinweis auf § 1835a BGB in § 3 Nr. 26b EStG betreffe nur die Betreuer, die von den Betreuten selbst bezahlt würden. Werde die Betreuerpauschale aus der Staatskasse gezahlt, sei diese nach § 3 Nr. 12 EStG unbegrenzt steuerfrei.
Mit Einspruchsentscheidung vom 9. Januar 2017 wies der Beklagte die Einsprüche der Kläger als unbegründet zurück. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, hinsichtlich der einkommensteuerlichen Behandlung der Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Betreuer sei die Rechtslage bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2010 von der Rechtslage ab dem Veranlagungszeitraum 2011 zu unterscheiden. Bis einschließlich 2010 seien die Aufwandsentschädigungen im Hinblick auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17. Oktober 2012 VIII R 57/09 (aaO) nach § 3 Nr. 12 EStG ohne betragsmäßige Beschränkung steuerfrei gewesen. Ab dem Veranlagungszeitraum 2011 seien die Aufwandsentschädigungen lediglich im Rahmen des neu eingefügten § 3 Nr. 26b EStG steuerfrei, soweit sie zusammen mit den steuerfreien Einnahmen im Sinne des § 3 Nr. 26 EStG 2.100 EUR (ab 2013: 2.400 EUR) nicht überschritten. Mit der Einführung der Steuerbefreiung für Aufwandsentschädigungen nach § 1835a BGB in § 3 Nr. 26b EStG im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2010 vom 8. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 1768) habe sich der Gesetzgeber für eine Beschränkung der Steuerbefreiung für Aufwandsentschädigungen der Höhe nach ausgesprochen. Demzufolge sei die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 26b EStG als Spezialvorschrift anzusehen, die der –der Höhe nach unbeschränkten– Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG vorgehe (unter Bezugnahme auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen –BMF– vom 21. November 2014 IV C 4-S 2121/07/0010:032, FMNR534000014, BStBl I 2014, 1581, und das unveröffentlichte Urteil des FG Baden-Württemberg vom 3. Dezember 2015 3 K 3792/13).
Mit ihrer Klage tragen die Kläger vor, § 3 Nr. 12 EStG sei auch nach Inkrafttreten der Neufassung des § 3 Nr. 26 EStG für Zahl...