Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwertung der nach Einäscherung von Leichnamen in der Asche verbliebenen metallischen Kremationsrückstände führt nicht zu Betriebseinnahmen des Krematoriums. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: XI R 4/24)
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Betrieb eines Krematoriums ist keine Aufgabe, die juristischen Personen des öffentlichen Rechts als Träger öffentlicher Gewalt eigentümlich und vorbehalten ist.
2. Betriebseinnahme ist jeder wirtschaftliche Vorteil, den der Steuerpflichtige aus betrieblichen Gründen erlangt, insbesondere für die Hingabe oder den Verlust von etwas, was als Teil des Betriebs oder als Objekt des Gewinnstrebens des Betriebsinhabers zu qualifizieren ist.
3. Implantate bzw. Körperersatzstücke fallen nicht in die Erbmasse, sondern es handelt sich um herrenlose bewegliche Sachen im Sinne des § 958 BGB. Dem Totenfürsorgeberechtigten steht insoweit ein Aneignungsrecht nach § 958 BGB zu, das bei Ausübung zum Eigentumserwerb an der herrenlosen Sache führt.
4. Die mit Zustimmung der Totenfürsorgeberechtigten erfolgende Verwertung der nach Einäscherung von Leichnamen in der Asche verbliebenen metallischen Kremationsrückstände führt, wenn sie keinen Einfluss auf die Höhe des Bestattungsentgelts hat, mangels Veranlassungszusammenhangs nicht zu Betriebseinnahmen eines Betriebs gewerblicher Art „Krematorium”. Es handelt sich um Sachspenden der Totenfürsorgeberechtigten an den Hoheitsbereich der Trägerkörperschaft.
Normenkette
KStG § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4; EStG § 4 Abs. 1; BGB §§ 958, 929
Tenor
1. Der Körperschaftsteuerbescheid 2017 vom 15. Juli 2022 wird dahingehend abgeändert, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte unter Außerachtlassung von Betriebseinnahmen in Höhe von 307.751,51 EUR mit -170.461,51 EUR angesetzt sowie die Körperschaftsteuer mit 0 EUR festgesetzt wird.
2. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2017 vom 15. Juli 2022 wird dahingehend abgeändert, dass der verbleibende Verlustvortrag um 170.461,51 EUR erhöht wird.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
5. Die Revision wird zugelassen.
6. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.
Tatbestand
Streitig ist, ob nach der Einäscherung von Leichnamen in der Asche verbliebene metallische Kremationsrückstände zu Betriebseinnahmen des Betriebs gewerblicher Art (BgA) „Krematorium” der Klägerin führen.
Die Klägerin ist als Stadt eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und betreibt als BgA ein Krematorium. Bei der Einäscherung von Leichen fallen verschiedene Metallteile an. Diese verbleiben zum einen aus medizinisch zuvor fest mit dem Körper verbundenen Implantaten (wie z.B. Zahngold und Prothesen) und zum anderen aus nicht fest mit dem Körper verbundenen Wertgegenständen (wie z.B. Schmuckgegenstände und Sargbestandteile) in der Asche. Im Anschluss an den Einäscherungsprozess gibt der BgA diese Metallteile an eine Metallscheideanstalt zur Vergütung des Metallwerts weiter.
Grundlage für den Einäscherungsprozess ist der für das Veranlagungsjahr gültige Antragsvordruck „Antrag auf Erlaubnis zur Feuerbestattung einschließlich Auftrag zur Einäscherung” (…). In diesem Antrag auf Erlaubnis zur Feuerbestattung beauftragt zum einen der Totenfürsorgeberechtigte – im Regelfall einer der nächsten Angehörigen (vgl. § 31 Abs. 1 Bestattungsgesetz Baden-Württemberg –BestattG–) – das Friedhofsamt der Klägerin, die Einäscherung vorzunehmen. Gleichzeitig wird im Rahmen des persönlichen Gesprächs zwischen dem beauftragten Friedhofsmitarbeiter und dem Totenfürsorgeberechtigten bzw. dem nächsten Angehörigen darüber entschieden, wie mit verbleibenden edelmetallhaltigen Rückständen verfahren werden soll. Die Friedhofsmitarbeiter sind strikt angewiesen, diese Frage vorab zu klären, da bei nicht abgestimmter Aneignung metallischer Rückstände strafrechtliche Konsequenzen drohen.
In dem Antrag auf Erlaubnis zur Feuerbestattung ist dabei Folgendes vorgesehen:
[…]
Zum Zeitpunkt des Gesprächs und beim Abschluss des Auftrags zur Einäscherung ist oft die Frage der Erbenstellung noch nicht rechtlich geklärt, so dass das Friedhofs- und Bestattungsamt der Klägerin sämtliche Fragen nur mit dem Totenfürsorgeberechtigten klären und abschließend regeln kann. Im Einzelfall werden von dem Totenfürsorgeberechtigten auch Einzelherausgaben verlangt. Die Zustimmung zur Verwertung der Kremationsrückstände hat keinen Einfluss auf die Höhe des Bestattu...