rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Prüfungen nach dem Mindestlohngesetz bei einem im EU-Ausland (hier: Slowakei) ansässigen Unternehmen der Transport- und Logistikbranche hinsichtlich Fahrten mit Be- oder Entladung in Deutschland sowie hinsichtlich Kabotagefahrten EU- und verfassungsrechtlich zulässig. Umfang der bei der Prüfung vorzulegenden Unterlagen
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Anordnung einer Prüfung nach dem Mindestlohngesetz bei Arbeitgebern im In- oder Ausland steht im Ermessen der Finanzbehörde und ist in aller Regel ermessensgerecht, wenn sie dem Gesetzeszweck, d. h. der Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften des MiLoG dient, es sei denn, es lägen Anhaltspunkte für ein unverhältnismäßiges, sachwidriges oder willkürliches Verhalten der Finanzbehörde vor. Die Überprüfung des für ein in der Slowakei ansässiges Logistikunternehmen grenzüberschreitend tätigen Fahrers ist daher hinsichtlich der Zeiten, in denen der Fahrer in Deutschland tätig war, grundsätzlich unabhängig davon zulässig, ob dem Beschäftigungsverhältnis ein Arbeitsvertrag nach deutschem Recht zugrunde gelegen hat (Abgrenzung zum Urteil des Österreichischen Obersten Gerichtshofs v. 29.11.2016, 9 ObA 53/16h).
2. Die aus §§ 1 und 20 MiLoG folgende Mindestlohnpflicht ist auch nicht vor dem Hintergrund einschränkend auszulegen, dass im Bereich der Beförderung von Gütern und Personen die entsandten Arbeitnehmer ggf. nur kurzzeitig im Inland tätig werden. Ausländische Arbeitgeber unterliegen jedenfalls insoweit den Vorschriften des MiLoG, als ihre Arbeitnehmer über reine Transitfahrten hinaus Transporte aus oder nach einem anderen Mitgliedstaat mit Be- oder Entladung in Deutschland oder Kabotagefahrten durchführen (Abgrenzung zum EuGH, Urteil v. 18.9.2014, C-549/13, ECLI:EU:C:2014:2235, sowie zum Urteil des AG Weißenburg v. 11.8.2017, 1 C 435/16).
3. Die Vorschriften des MiLoG, etwa zu den Prüfungsbefugnissen der Zollverwaltung einerseits und den Mitwirkungsverpflichtungen des Arbeitgebers andererseits, verstoßen nicht gegen Europa- oder Verfassungsrecht, insbesondere nicht gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG).
4. Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Vorlage von Unterlagen nach §§ 15 S. 1 Nr. 1, 2 MiLoG besteht auch dann noch, wenn seit dem Erlass der Prüfungsanordnung bzw. Aufklärungsanordnung mittlerweile mehr als zwei Jahre vergangen sind und dies auf die Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Prüfungsverfügung durch den Arbeitgeber zurückzuführen ist.
5. Das Hauptzollamt darf vom Arbeitgeber zur Prüfung Arbeitsverträge, Lohnabrechnungen, Nachweise über die Zahlung der Löhne sowie Arbeitszeitaufzeichnungen anfordern, nicht aber die Mitteilung von Firma und Anschrift des jeweiligen Auftraggebers des einzelnen Transports.
Normenkette
SchwarzArbG § 2 Abs. 1 Nr. 5, § 2a Abs. 1 Nr. 4; MiLoG § 15 S. 1 Nrn. 1-2, §§ 20, 1 Abs. 2, §§ 16, 17 Abs. 1-2, § 22; AO § 5; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1; RL 96/71/EG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst.c, Abs. 2, Art. 5; AEntG § 2 Nr. 1; Rom-I VO Art. 9 Abs. 1-2, Art. 23; AEUV Art. 56, 28; EGV 1072/2009; RL Nr. 2014/67/EU Art. 10 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die zusammen mit der Prüfungsverfügung vom 21. Oktober 2015 versandte Aufklärungsanordnung wird aufgehoben, soweit die Klägerin darin verpflichtet wird, Firma und Anschrift ihrer jeweiligen Auftraggeber mitzuteilen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer die Kontrolle des Mindestlohngesetzes (MiLoG) betreffenden Prüfungsverfügung und weiterer Anordnungen zu deren Durchführung.
Die Klägerin, die Firma X, A, Slowakische Republik ist ein international tätiges Logistikunternehmen. Am 23. September 2015 führte das beklagte Hauptzollamt (HZA) auf dem Parkplatz des Y-Werks in B eine Prüfung gem. § 2 Abs. 1 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (SchwarzArbG) durch. Im Rahmen dieser Prüfung wurde ein LKW-Fahrer der Klägerin, W., befragt (Bl. 1 f. HZA-Akte). Dieser gab an, bei der Klägerin seit dem 23. Oktober 2014 beschäftigt zu sein, einen Monatslohn von 700 EUR zu beziehen und an zwei bis drei Tagen in der Woche jeweils acht bis neun Stunden zu arbeiten. Etwa ein bis zwei Mal pro Monat liefere er Waren beim Y-Werk an, wobei er ausschließlich mit dem Kleintransporter unterwegs sei.
Unter dem 21. Oktober 2015 richtete das HZA zwei Schreiben an die Klägerin. Zum einen ordnete es mit einem als „Prüfungsverfügung” bezeichneten Schreiben an, dass gem. §§ 2 ff. SchwarzArbG eine Prüfung durchgeführt werde, und nannte die Prüfungsgegenstände nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 – 5 SchwarzArbG, darunter unter Punkt 5. die „Arbeitsbedingungen nach Maßgabe des Mindestlohngesetzes” (Bl. 11 ff. HZA-Akte). Zum anderen verwies es in seinem zweiten – mit „Durchführung des Mindestlohnge...