Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistung von Schadensersatz durch einen Dritten ist kein rückwirkendes Ereignis hinsichtlich der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags aus Wertpapiergeschäften
Leitsatz (redaktionell)
Die Zahlung von Schadensersatz für die Wertminderung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft durch einen Dritten ist kein rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO, da dadurch weder der Anschaffungspreis der Aktien gemindert noch der Veräußerungserlös erhöht wird, so dass die Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags im Zusammenhang mit den Wertpapiergeschäften nicht aufgrund der Schadensersatzleistung herabgesetzt werden kann.
Normenkette
AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EStG § 10d Abs. 4 S. 4, § 17 Abs. 1-2, § 23
Nachgehend
Tenor
1. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2002 vom 6. Dezember 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Mai 2012 wird dahingehend abgeändert, dass für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb ein verbleibender Verlustvortrag auf 1.832.269 EUR und für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften ein verbleibender Verlustvortrag auf 1.479.111 EUR festgestellt wird.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufige Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte zu Recht gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2002 geändert hat.
In den Jahren 1999 bis 2002 erwarb der Kläger Aktien der X AG. Durch einen Kurseinbruch erlitt der Kläger hohe Verluste anlässlich der Veräußerung der Aktien. Diese machte er unter Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens im Kalenderjahr 2002 wie folgt geltend:
Diese Beträge berücksichtigte der Beklagte zunächst im Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2002 vom 30. April 2009.
Bereits im Jahr 2003 hatte der Kläger die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Y und drei dort angestellte Wirtschaftsprüfer auf Schadensersatz verklagt. Dies begründete er damit, dass ihm dadurch ein Schaden entstanden sei, dass Y als Abschlussprüferin uneingeschränkte Bestätigungsvermerke erteilt habe. Der Kläger habe im Vertrauen auf die Richtigkeit der Jahresabschlüsse die Aktien erworben.
Vertragliche Beziehungen zwischen Y und dem Kläger bestanden nach Auskunft des Klägers nicht. Das Verfahren, welches vor dem Landgericht Z geführt wurde, wurde im Jahr 2007 durch einen Vergleich zwischen dem Kläger und der Beklagtenseite beendet (Bl. 24 f Klageakte). In diesem Vergleich verpflichtete sich Y, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 3.000.000 EUR zu zahlen sowie einer vom Kläger zu bestimmenden Einrichtung 750.000 EUR zuzuwenden. Der Kläger verpflichtete sich im Gegenzug, die Klage nach Zahlung zurückzunehmen. Gleichzeitig verpflichteten sich beide Vertragsparteien, den Inhalt der Vereinbarung und der diesbezüglich geführten Gespräche vertraulich zu behandeln. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vergleich verwiesen.
Mit Bescheid vom 25. Oktober 2011 änderte der Beklagte den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2002 vom 30. April 2009 gemäß § 10 d Abs. 4 Satz 4 EStG (Bl. 129 Einkommensteuerakte 2002). Die o.g. Beträge wurden nicht mehr berücksichtigt. Gegen den geänderten Bescheid legten die Kläger mit Schreiben vom 21. November 2011 Einspruch ein (Bl. 1 Rechtsbehelfsakte) und beantragten die Aufhebung des Bescheids. Sie begründeten ihren Einspruch damit, dass ihrer Ansicht nach der im Jahr 2007 geleistete Schadensersatz keine steuerliche Wirkung für die Vergangenheit habe. Der geleistete Schadensersatz stehe nicht ursächlich im Zusammenhang mit dem Schadensereignis. Vorliegend habe der Schadensersatz weder die Anschaffungskosten noch den Veräußerungspreis i.S.d. § 17 Abs. 2 EStG verändert.
Mit Einspruchsentscheidung vom 22. Mai 2012 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Schadensersatzzahlung habe den Veräußerungsverlust nach § 17 EStG verringert. § 17 Abs. 2 EStG sei eine Gewinnermittlungsvorschrift eigener Art. Der maßgebliche Veräußerungsgewinn bzw. – verlust sei ereignis – bzw. stichtagsbezo...