rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Ein Steuerpflichtiger muss sich die Einspruchsrücknahme eines nach § 80 Abs. 1 AO Bevollmächtigten zurechnen lassen. Einkommensteuer 1990
Leitsatz (amtlich)
1. Die Einspruchsrücknahme durch einen nach § 80 Abs. 1 AO Bevollmächtigen muss sich der bevollmächtigende Steuerpflichtige im Außenverhältnis auch dann zurechnen lassen, wenn diese ohne sein Wissen und/oder Wollen erfolgte.
2. Legt der Steuerpflichtige nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist persönlich einen erneuten Einspruch ein, rechtfertigt die fehlende Kenntnis von der vorherigen Einspruchsrücknahme durch den Bevollmächtigten keine Wiedereinsetzung nach § 110 Abs. 1 AO.
Normenkette
AO 1977 § 80 Abs. 1, §§ 362, 110 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
4. Der Streitwert wird auf 1.990,– DM festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Einspruch gegen den Einkommensteuer (ESt)-Bescheid 1990 wirksam zurückgenommen wurde und ob der Klägerin (Klin) die Splittingtabelle nach § 32 Abs. 6 Einkommensteuergesetz (EStG) zu gewähren ist.
Die Klin legte dem Beklagten (Bekl) am 17. Februar 1992 ihre ESt-Erklärung 1990 vor. In den Zeilen 41 – 45 des Erklärungsvordrucks erteilte sie der … „Dauervollmacht nach § 80 AO”. Entsprechend der Erklärung, die keinen Hinweis darüber enthielt, daß der frühere Ehemann der Klin im Januar 1989 in seinem Heimatland … verstorben war, setzte der Bekl mit Bescheid vom 1. September 1992 unter Anwendung der Grundtabelle die ESt 1990 mit DM 7.184, fest. Hiergegen legte die … am 5. Oktober 1992 formgerecht Einspruch ein, der von dem … am 23. November 1992 mit Schreiben vom 20. November 1992, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, zurückgenommen wurde. Am 4. Dezember 1992 ging beim Bekl ein Schreiben der Klin vom 2. Dezember 1992 ein, in dem u. a. ausgeführt wird:
„Der bereits bestehende Widerspruch möchte ich hiermit noch bestätigen, da die … ohne meinen Wissen und Zustimmung dem bestehende Widerspruch zurückgenommen hat.
In der Zwischenzeit habe ich den … entbunden.
Ich werde mich innerhalb 10 Tage schriftlich dazu äußern durch den beauftragten Steuerfachmann bis dahin soll mein Widerspruch aufrechterhalten bleiben.”
In der Sache begehrte die Klin, die ihren Ehemann am 24. Oktober 1988 bei der Gemeinde … abgemeldet hatte, ihr die ESt 1990 nach der Splittingtabelle (Gnadensplitting) zu gewähren.
Nachdem der Bekl der Klin mit Schreiben vom 24. November 1994 mitgeteilt hatte, daß er die Einspruchsrücknahme vom 20. November 1992 durch den … als wirksam ansehe, brachte die Klin gegenüber dem Bekl mit Schreiben vom 10. Dezember 1994 vor, ihr Anspruch bleibe bestehen, da der … ohne ihr Wissen und ohne Rückfragen gehandelt habe. Sie sei davon überzeugt, daß ihr für das Jahr 1990 wegen des Todesfalls ihres früheren Mannes die günstigste Steuerklasse zustehe.
Daraufhin verwarf der Bekl den Einspruch mit Entscheidung vom 12. Januar 1995 als unzulässig. In der Einspruchsentscheidung, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, vertrat er die Auffassung, das Schreiben vom 2. Dezember 1992 sei am 4. Dezember 1992 nach Ablauf der Einspruchsfrist am 5. Oktober und damit nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist des § 355 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) eingegangen. Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist nach § 110 AO sei nicht zu gewähren, weil die Klin sich die Rücknahme des Einspruchs durch ihren steuerlichen Vertreter am 20. November 1992 als eigene Verfahrenshandlung zurechnen lassen müsse.
Gegen die Einspruchsentscheidung erhob die Klin am 6. Februar 1995 Klage, mit der sie das Ziel verfolgt, unter Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist eine Änderung der ESt-Veranlagung 1990 unter Anwendung des Gnadensplittings nach § 32a Abs. 6 EStG zu erreichen. Der Prozeßbevollmächtigte der Klin brachte in der mündlichen Verhandlung noch vor, die Klin habe ihrem verstorbenen Ehemann eigentlich helfen wollen. Auf Empfehlung von Ärzten u. a. habe sie ihn durch die Abmeldung aus der Wohnung, die unter Mitwirkung der Polizei erfolgt sei, nur unter Druck setzen wollen. Tatsächlich sei dadurch ein eheliches Zusammenleben nicht beendet worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Klageschrift und Schriftsätze vom 23. Februar 1995 und 17. April 1995 verwiesen.
Die Klin beantragt,
unter Gewährung von Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist den ESt-Bescheid 1990 vom 1. September 1992 und die Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 1995 dahingehend zu ändern, daß bei der Festsetzung der ESt 1990 die Splittingtabelle nach § 32a Abs. 6 EStG angewandt wird.
Der Bekl beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seine Einspruchsentscheidung und trägt vor, die Klin habe ihren Ehemann selbst am 10. November 1988 zum Stichtag 24.10.1988 bei der Meldebehörde als ins Heimatland verzogen abgemeldet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Der Bekl hat den Einspruch mit Recht als unzulässig verworfen, weil der ursprüngliche Einspruch wir...