Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiträge einer an einer Schweizer Schule unterrichtenden, in Deutschland ansässigen Grenzgängerin an eine öffentlich-rechtliche Schweizer Pensionskasse: überobligatorische Arbeitgeberbeiträge als Arbeitslohn. Aufteilung der Beiträge zu umhüllenden Schweizer Pensionskassen in obligatorische bzw. überobligatorische Beiträge im Wege der Schätzung nach Maßgabe der Empfehlung des Schweizer Bundesamts für Sozialversicherung (BSV) und der Fachmitteilung Nr. 105 des Schweizerischen Pensionskassenverbands (ASIP). kein Sonderausgabenabzug für überobligatorische Beiträge
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist eine im Inland ansässige und in der Schweiz arbeitende Lehrerin eine Grenzgängerin, steht Deutschland als Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für den laufenden Arbeitslohn zu.
2. Die von dem Arbeitgeber der Lehrerin, einer Schweizer Schulgemeinde, auf die beitragspflichtige Besoldung der Lehrerin an eine öffentlich-rechtliche Schweizer Pensionskasse entrichteten überobligatorischen Arbeitgeberbeiträge sind als nicht nach § 3 Nr. 56 EStG, § 3 Nr. 62 EStG oder § 3 Nr. 63 EStG steuerfreier und damit als steuerpflichtiger Arbeitslohn der Lehrerin zu qualifizieren, der im Zeitpunkt der Beitragszahlung zufließt.
3. Die ausschließlich für Zwecke der deutschen Einkommensbesteuerung vorzunehmende Aufteilung der Beiträge zu umhüllenden Schweizer Pensionskassen in obligatorische, d. h. nach Maßgabe des (Schweizer) Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (BVG) zu erhebende und darüber hinaus gehende überobligatorische Beiträge ist im Wege der Schätzung (§ 162 AO) vorzunehmen; eine nach Maßgabe der Empfehlung des Schweizer Bundesamts für Sozialversicherung (BSV) und der Fachmitteilung Nr. 105 des Schweizerischen Pensionskassenverbands (ASIP) vorgenommene Aufteilung stellt eine sachgerechte Schätzung dar.
4. Hierbei sind als obligatorische Beiträge Alterssparbeiträge in Höhe der BVG-Altersgutschriften auf den koordinierten Lohn (Art. 16, 8 BVG), Risikobeiträge in Höhe von 2 % des koordinierten Lohns, die gesamten Verwaltungskostenbeiträge und die gesamten weiteren Beiträge (z. B. Sanierungs- und Stabilisierungsbeiträge) anzusehen, wobei bei den Spar- und Risikobeiträgen von einer hälftigen Aufteilung ausgegangen wird und Verwaltungskosten und weitere Beiträge entsprechend der tatsächlichen Beitragszahlung aufzuteilen sind. Alle darüberhinausgehenden Beiträge sind als überobligatorische Beiträge zu behandeln (Festhaltung der Senatsrechtsprechung).
5. Die als Arbeitslohn der Lehrerin behandelten überobligatorischen (Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-) Beiträge zu der öffentlich-rechtlichen Pensionskasse sind nicht als Vorsorgeaufwendungen im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu berücksichtigen, da auch bei einer Schweizer öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtung das Vorsorgeverhältnis im Bereich des Überobligatoriums als eigenständig zu betrachtendes Rechtsverhältnis anzusehen ist, das nach der vorzunehmenden rechtsvergleichenden Qualifikation nicht mit der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar ist und daher nicht der nachgelagerten Besteuerung unterliegt (Festhalten an FG Baden-Württemberg, Urteil v. 7.4.2020, 3 K 1497/18, EFG 2020 S. 1245).
Normenkette
DBA CHE 1978 Art. 3 Abs. 2, Art. 15a; EStG § 3 Nrn. 56, 63, 62 Sätze 1, 3-4, § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 19 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1, 3, S. 2; LStDV § 2 Abs. 2 Nr. 3; AO § 162 Abs. 1; FGO § 96 Abs. 1 S. 2; BVG § 16
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die steuerliche Behandlung von Beiträgen an eine öffentlich-rechtliche Schweizer Pensionskasse.
Die Klägerin lebt dauernd getrennt und wird einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Sie hat ihren Wohnsitz (§ 8 der Abgabenordnung –AO–) und ihre ständige Wohnstätte (Art. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 –DBA-Schweiz–, BGBl II 1972, 1022, i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992, BGBl II 1993, 1888) im Inland.
Von Beruf ist die am … 1955 geborene Klägerin […]. In den Jahren 2016 bis 2018 (Streitjahre) war sie an der […] Schule, Kanton X/Schweiz nichtselbständig beschäftigt. Ihre in der Schweiz erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wurden nach der sog. Grenzgängerregelung gemäß Art. 15a DBA-Schweiz im Inland besteuert. Als in der Schweiz beschäftigte Arbeitnehmerin unterlag die Klägerin den Schweizer Regelungen über die soziale Rentenversicherung (vgl. Art. 1a Abs. 1 Buchst. b des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung vom 20. Dezember 1946 –AHVG–; Systematische Sammlung des Bundesrechts –SR– 831.10, www.admin.ch) und die berufliche Vorsorge (vgl. Art. 2, 5, 7 des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 25. Juni 198...