Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss des Abgeltungsteuertarifs nach der vor Inkrafttreten des JStG 2020 gültigen Gesetzeslage bei Erfüllung einer Verbindlichkeit einer GmbH durch Aufrechnung eines Gesellschafter, der zu mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt ist, mit einer Gegenforderung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Rückzahlung im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz EStG liegt auch dann vor, wenn der Steuerpflichtige unter dem Nennwert von einem Dritten eine Kapitalforderung gegen eine Kapitalgesellschaft erworben hat, an der der Erwerber zu mindestens 10 % beteiligt ist und wenn der Erwerber diese Forderung mit einer von ihm selbst der Kapitalgesellschaft geschuldeten Verbindlichkeit aufgerechnet hat.
2. Der Gewinn aus der Einziehung einer unter Nennwert von einem Dritten erworbenen Kapitalforderung gegen eine Kapitalgesellschaft, an der der Erwerber zu mindestens 10 % beteiligt ist, unterliegt nicht der Abgeltungsteuer, sondern in der bis zum JStG 2020 geltenden Fassung des EStG dem progressiven Tarif. Es ist insoweit nicht erforderlich, dass die Rückzahlung bei der GmbH als Schuldnerin der Verbindlichkeit einen gewinnwirksamen Aufwand auslöst.
Normenkette
EStG 2013 § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 1, § 32a Abs. 1, § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4 S. 1; BGB §§ 387, 389
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger sind miteinander verheiratet.
Der Kläger war bis 2009 zu 50 % Anteilseigner der X GmbH (GmbH). Mit notariellem Vertrag vom 29. Mai 2009 (Blatt 41 Einkommensteuerakte) übertrug der damalige hälftige Mitgesellschafter A. seine Anteile an den Kläger und trat gleichzeitig eine gegenüber der GmbH bestehende Forderung in Höhe von 79.684,76 Euro gegen Zahlung von einem Euro an den Kläger ab. Diese Forderung war im Kalenderjahr 2013 durch Aufrechnung mit einer ebenfalls bestehenden Verbindlichkeit des Klägers gegenüber der Gesellschaft erloschen.
Den Gewinn aus der Forderung erklärte der Kläger weder in seiner Einkommensteuererklärung vom 16. März 2015 noch wurden die Einnahmen der Abgeltungssteuer nach § 32d Abs. 1 EStG unterworfen. Der Beklagte setzte die Einkommensteuer mit Einkommensteuerbescheid vom 28. Mai 2015 insoweit – also ohne Gewinn aus der Forderung – antragsgemäß fest.
Nach einer Betriebsprüfung bei der GmbH vertrat der Betriebsprüfer die Auffassung, der Gewinn sei nach § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG mit dem tariflichen Steuersatz nach § 32a EStG zu versteuern. Der gesonderte Steuersatz nach § 32d Abs. 1 EStG finde keine Anwendung.
Mit nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändertem Einkommensteuerbescheid vom 22. Mai 2017 setzte der Beklagte auf den Gewinn aus der Forderung (79.684,76 Euro ./. 1 Euro = 79.683,76 Euro) die Einkommensteuer fest.
Den hiergegen am 12. Juni 2017 (Eingang Beklagter: 13. Juni 2017) erhobenen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 7. März 2018 u.a. diesbezüglich als unbegründet zurück (soweit im Einspruchsverfahren weitere Punkte streitig waren, sind diese nicht mehr Gegenstand des Klageverfahrens). Der Einkommensteuerbescheid war zwischenzeitlich am 4. Dezember 2017 nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert worden.
Die Kläger haben am 29. März 2018 Klage erhoben.
Sie sind der Auffassung, der vorliegende Gewinn aus § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG sei nach § 32d Abs. 1 EStG der Abgeltungssteuer zu unterwerfen. § 32d Abs. 2 EStG sei nicht anzuwenden. Diese Regelung beträfe nur Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 4 und 7 sowie Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und 7 EStG, wenn sie von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner gezahlt würden.
Im vorliegenden Fall habe die GmbH keine Kapitalerträge an den Kläger gezahlt, sondern die GmbH habe als Darlehensnehmerin ein Darlehen getilgt.
Die Kapitalerträge entstünden im vorliegenden Fall aus dem Ankauf einer Forderung mit einem Nennwert von 79.684,76 Euro zu einem Kaufpreis von einem Euro von dem ehemaligen Mitgesellschafter A. und der Tilgung dieser Forderung durch Verrechnung zum Wert von 79.684,76 Euro. Die entstandenen Kapitalerträge würden aus der Differenz zwischen Ankaufspreis und Verkaufspreis der Forderung entstehen. Der Fall sei vergleichbar mit dem Kauf und Verkauf von Aktien oder GmbH-Anteilen, die ebenso nicht der tariflichen Steuer unterliegen würden. Die GmbH habe auch keine korrespondierenden Aufwendungen aus Zinszahlungen.
Es käme darauf an, dass die Kapitalgesellschaft die Kapitalerträge „bezahlt” habe. Vorliegend habe jedoch nicht die Kapitalgesellschaft, sondern der ehemalige Gesellschafter A. die Kapitalerträge „bezahlt”. Durch den Verkauf seiner Darlehensforderung an den Kläger habe Herr A. einen Aufwand in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen ursprünglichem Darlehen bei Hingabe an die Kapitalgesellschaft und Erlös bei Forderungsverkauf erlitten. Der Ertrag des Klägers bei späterer Rückzahlung des Darlehens an den Kläger entspreche genau diesem Aufwan...