Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Behandlung von Vergleichsvereinbarungen bei Rechtstreitigkeiten in Zusammenhang mit der Vermittlung von sogenannten Schrottimmobilien
Leitsatz (redaktionell)
1. Erstattungsbeträge oder Schadensersatzleistungen, die Werbungskosten ersetzen, sind im Jahr des Zuflusses steuerpflichtige Einnahmen bei der Einkunftsart, bei der die Aufwendungen vorher als Werbungskosten abgezogen worden sind. Werden wechselseitige Ansprüche durch Aufrechnung oder einen Verrechnungsvertrag miteinander verrechnet, kann ein Zufluss vorliegen, wenn sich zwei voneinander unabhängige, fällige Ansprüche gegenüberstehen.
2. Verzichtet die Bank auf die weitere Geltendmachung von Forderungen aus Darlehensverträgen, mit denen der Steuerpflichtige die Anschaffung einer vermieteten Immobilie finanziert hat, liegt ein Zufluss nicht vor, wenn nicht festgestellt werden kann, dass die Bank mit dem Verzicht Schadensersatz für einen überteuerten Kaufpreis, Zinsen auf die infolge des überteuerten Kaufpreises zu hoch aufgenommenen Darlehen oder zugesicherte, tatsächlich aber nicht erzielbare Mieteinnahmen leisten und diese im Wege der Aufrechnung abgelten wollte.
Normenkette
EStG § 8 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid 2012 vom 26. Juni 2014 in Form der Einspruchsentscheidung vom 10. Juli 2017 wird dahingehend geändert, dass Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Objekt in A mit 1.113 EUR der Besteuerung unterworfen werden.
2. Die Berechnung der neu festzusetzenden Steuern wird dem Beklagten übertragen (§ 100 Abs. 2 S.2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
5. Die Revision wird zugelassen.
6. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, haben die Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet haben, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheides 2012 vom 2. Juni 2014 in Form der Einspruchsentscheidung vom 10. Juli 2017, mit dem der Beklagte abweichend von der Erklärung des Klägers bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Darlehensbetrag, der von der finanzierenden Bank aufgrund eines außergerichtlichen Vergleichs nicht mehr „geltend gemacht” wird, teilweise als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und teilweise als Minderung der Anschaffungskosten des Objekts berücksichtigte.
Der Kläger erwarb im Jahr 1995 eine Eigentumswohnung in A zu einem Gesamtkaufpreis von 284.000 DM (145.206 EUR). Diese wurde einschließlich der Anschaffungsnebenkosten mittels zweier Darlehen der Bank (i. F. Bank) über 270.000 DM (138.048 EUR) und 65.000 DM (33.233 EUR) voll finanziert. Bis November 2010 erfüllte der Kläger seine vertraglichen Pflichten gegenüber der Bank. Die Eigentumswohnung wurde ab Erwerb zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzt, wobei die planmäßige AfA und die gezahlten Schuldzinsen vollständig einkünftemindernd als Werbungskosten berücksichtigt wurden.
Mit Schreiben vom 15. Dezember 2010, auf das wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird (Est-Akte, Register Belege Bl. 1), machte der Kläger gegenüber der Bank einredeweise Schadensersatzansprüche wegen einer Aufklärungspflichtverletzung aus dem Gesichtspunkt des konkreten Wissensvorsprungs geltend. Hierbei nahm er ausdrücklich Bezug auf die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 19. April 2008 XI ZR 221/07, […] vom 16. Mai 2006 XI ZR 6/04 und des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 22. August 2008 6 U 167/06 […].
Ebenfalls im Dezember 2010 widerrief er die der Bank erteilte Einzugsermächtigung und stellte die Zahlung der vereinbarten Darlehensraten ein.
Daraufhin kündigte die Bank mit Schreiben vom 1. April 2011 (Bl. 12) die Darlehen fristlos und stellte den gesamten Darlehensbetrag einschließlich aller rückständigen Zinsen und Kosten zur sofortigen Rückzahlung fällig. Die Schuldsalden betrugen zum 31. März 2011
- • 122.230 EUR und 25.884 EUR (ohne aufgelaufene Zinsen und Rückstände seit Dezember 2010, vgl. Bl. 12) bzw.
- • 125.342 EUR und 26.545 EUR (incl. aufgelaufener Zinsen, Rückstände und Kosten, vgl. ESt-Akte Reg. Belege Bl. 55).
Mit Schreiben vom 2. August 2011 beantragte die Bank aufgrund der zu ihren Gunsten eingetragenen Grundschuld die Zwangsversteigerung der Eigentumswohnung (Bl. 17), welche mit Beschluss des Amtsgerichts A vom 8. August 2011 angeordnet wurde.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 21. September 2011, auf den w...