Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg für Geltendmachung von Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO gegen Finanzbehörden. Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO bei Verstößen gegen Auskunftspflichten nach Art. 15 DSGVO nur bei Darlegung und Nachweis eines konkreten Schadens. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: IX R 17/23)
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen Finanzbehörden wegen behaupteter Verstöße gegen die DSGVO ist der Finanzrechtsweg gegeben (Anschluss an BFH, Beschluss v. 28.6.2022, II B 93/21). Insoweit ist eine auf Schmerzensgeld gerichtete Klage als allgemeine Leistungsklage von § 40 Abs. 1 FGO statthaft.
2. Verstöße gegen Auskunftspflichten aus Art. 15 DSGVO reichen für sich genommen für einen Schadensersatzanspruch (hier: Geltendmachung von Schmerzensgeld) aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO nicht aus; hierzu bedarf darüber hinaus auch der Darlegung und des Nachweises eines konkreten (ggf. auch immateriellen) Schadens (gegen OLG Köln, Urteil v. 14.7.2022, 15 U 137/21; gegen BAG, Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH v. 26.8.2021, 8 AZR 253/20 (A)).
Normenkette
AO § 31i Abs. 2; DSGVO Art. 15, 82 Abs. 1, 2 S. 1, Abs. 3; FGO § 33 Abs. 1 Nrn. 1, 4, § 40 Abs. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Dem Rechtsstreit liegt eine am 03.11.2020 erhobene, unter dem Aktenzeichen 16 K 5148/20 geführte Klage wegen datenschutzrechtlicher Rechte des Klägers zu Grunde.
Gegenstand dieser Klage ist die Verpflichtung des Finanzamts, nach Art. 15 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG –DSGVO – Kopien personenbezogener Daten in Gestalt von (elektronischen) Doppeln von Akten zur Verfügung zu stellen. Das Gericht hat in diesem Verfahren durch klageabweisendes Urteil entschieden (Urteil vom 27.10.2021 – 16 K 5148/20, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2022, 586). Über die vom Gericht zugelassene und vom Kläger eingelegte Revision hat der BFH noch nicht entschieden (Az.: IX R 35/21, vormals II R 47/21).
Unter anderem macht der Kläger Schmerzensgeld geltend und kündigt für die mündliche Verhandlung an zu beantragen, den Beklagten wegen eingetretener zeitlicher Verzögerung bzw. wegen unzureichender Auskünfte nach Art. 15 DSGVO, verbunden mit der fehlenden Übersendung von Kopien in elektronischer Form, zur Zahlung eines angemessenen, einen Mindestbetrag von 1.000 Euro nicht unterschreitenden Schmerzensgelds an den Kläger zu verurteilen. Der Klageantrag auf Zahlung eines Schmerzensgelds war ursprünglich mit Schriftsatz vom 07.09.2021 „für den Fall der Stattgabe des bisher gestellten Klageantrags” gestellt. Nach Hinweis des Vorsitzenden mit gerichtlichem Schreiben vom 08.09.2021, dass hinsichtlich der Klage auf Schadenersatz möglicherweise nicht der Finanzrechtsweg, sondern der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben sein könnte und damit bei Erfolg des Hauptantrags der bedingt gestellte Antrag mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 43 Finanzgerichtsordnung –FGO– (Zuständigkeit desselben Gerichts sowie desselben Spruchkörpers und Identität des Beklagten) unzulässig sein könnte, stellte der Kläger den bedingten Antrag auf Zahlung eines Schmerzensgelds mit Schriftsatz vom 14.09.2021 auf einen unbedingten Antrag um.
Mit Beschluss vom 20.10.2021 wurde das Verfahren hinsichtlich der Geltendmachung von Schmerzensgeld von dem unter dem Aktenzeichen 16 K 5148/20 geführten Verfahren abgetrennt, da in Bezug auf diesen Klagegegenstand vorab der Rechtsweg zu prüfen war. Das Gericht hat mit Beschluss vom 20.10.2021 den Rechtsweg zu den Finanzgerichten hinsichtlich des Schmerzensgelds für unzulässig erklärt und das Verfahren an das Landgericht Potsdam verwiesen. Auf die vom Gericht zugelassene Rechtswegbeschwerde des Klägers sowie des Beklagten hin hat der Bundesfinanzhof – BFH – mit Beschluss vom 28.06.2022 den Verweisungsbeschluss aufgehoben (Az.: II B 93/21, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 2022, 931). Das Verfahren wird daher beim hiesigen Gericht fortgesetzt.
Zur Begründung des Schmerzensgeldanspruchs trägt der Kläger im Wesentlichen vor, der haftungsbegründende Tatbestand des Schadensersatzanspruchs nach Art. 82 DSGVO liege in jedem Verstoß eines Verantwortlichen gegen die DSGVO. In Bezug auf den haftungsausfüllenden Tatbestand macht der Kläger keinen materiellen Schaden geltend, trägt jedoch hinsichtlich des Ersatzes immaterieller Schäden vor, die Ersatzpflicht solle sich, auch wenn gegen staatliche Einrichtungen selbst nach Art. 83 Abs. 7 DSGVO i.V.m. § 43 Abs. 3 BDSG kein Bußgeld festgesetzt werden könne, an Art. 83 DSGVO zur Bestimmung der (einheitlichen) Höhe des immateriellen Schadensersatzes orientieren.
In der mündlich...