Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung des Bescheids über die Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen (§ 60a Abs. 1 AO) bei jeder Änderung der für die Beurteilung der formellen Satzungsmäßigkeit erforderlichen Regelungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine für die Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen erhebliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 60a Abs. 4 AO liegt immer bereits dann vor, wenn die Änderung zur Folge hat, dass die Frage nach der Satzungsmäßigkeit neu beurteilt werden muss, und zwar unabhängig davon, ob die Änderung steuerbegünstigungsschädlich ist oder nicht (Anschluss an Auffassung der Finanzverwaltung in AEAO Nr. 7 zu § 60a).
2. Jede Änderung der für die Beurteilung der formellen Satzungsmäßigkeit relevanten Regelungen macht daher eine Aufhebung des bisherigen Feststellungsbescheides und eine Neubescheidung erforderlich. Ob die geänderte Satzung den Anforderungen der §§ 51, 59, 60 und 61 genügt, ist in einem gesonderten Verfahren (§ 60a Abs. 2 AO) zu prüfen.
Normenkette
AO §§ 59, 60a Abs. 1, 2 S. 1, Abs. 4, §§ 60-61
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Dem Kläger werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist ein seit dem 26. März 1991 im Vereinsregister eingetragener Verein, dessen Vereinszweck nach der Satzung in der Fassung vom 22. November 1996
- die Förderung der Kinder – und Jugendpflege,
- die Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung,
- die Förderung der internationalen Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens,
- die Förderung der Fürsorge für Strafgefangene und ehemalige Strafgefangene und ihrer Angehörigen
war.
Der Beklagte erließ gegenüber dem Kläger am 18. November 2014 einen Feststellungbescheid nach § 60 a Abs. 1 Abgabenordnung – AO –, mit der er bescheinigte, dass die Satzung in der Fassung vom 26. November 1996 die satzungsmäßigen Voraussetzungen nach §§ 51, 59, 60 und 61 AO erfüllt. Der Bescheid enthielt in den Erläuterungen für künftige Satzungsänderungen den Hinweis, dass mit dem Jahressteuergesetz 2009 Satzungen gemeinnütziger Körperschaften die in der Anlage 1 zu § 60 AO (Mustersatzung) bezeichneten Festlegungen enthalten müssen. Sofern beabsichtigt sei die Satzung künftig zu ändern, biete das Finanzamt an, den Entwurf der neuen Satzung auf Einhaltung der formellen satzungsmäßigen Voraussetzungen vor Beschlussfassung zu prüfen.
Am 16. Februar 2015 ging beim Beklagten eine am 2. September 2014 beschlossene und dem Beklagten bis dahin unbekannte geänderte Satzung ein.
Nach § 2 Abs. 1 dieser geänderten Satzung ist Zweck des Vereins:
- die Begleitung, Beratung und Bildung für Mädchen & Jungen, Frauen & Männer, Mütter & Väter, Seniorinnen & Senioren im Kontext des Familienentwicklungsprozesses,
- Aufgaben im Rahmen der Kinder und Jugendhilfe auf der gesetzlichen Grundlage des SGB 7/KJHG, …
- Begleitung der Bildungsverläufe von Kindern und Jugendlichen in ihren Familien und ihrem Lebensumfeld sowie die Gestaltung von Bildungsübergängen,
- Förderung der beruflichen Bildung bzw. Ausbildung von jungen Erwachsenen,
- die Förderung interkultureller Begegnung insbesondere im Kontext der deutschpolnischen Zusammenarbeit,
- Förderung des Miteinanders von Menschen unterschiedlicher Lebensalter und Stärkung der Verantwortung der Generationen füreinander,
- Begleitung wertebildender Prozesse sowie wertsensibilisierende Erziehung von Kindern in ihren Familien,
- die Förderung zivilgesellschaftlichen und demokratischen Engagements,
- Unterstützung hilfsbedürftiger Personen bzw. Familien in besonderen Lebenssituationen,
- die sozialpädagogische und wirtschaftliche Betreuung Jugendlicher,
- die Unterstützung pflegebedürftiger Menschen sowie pflegender Angehöriger,
- die Betreuung von Personen, die in infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes auf Hilfe anderer Personen angewiesen sind.
Der Beklagte teilte daraufhin der Prozessbevollmächtigten des Klägers unter Darlegung der mit dem Jahressteuergesetz 2009 vorgenommenen Änderungen umgehend mit, dass die aktuelle Satzung überarbeitungsbedürftig sei, da die formellen satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Gewährung der Steuervergünstigungen im Sinne der §§ 59 ff. AO nicht erfüllt seien. In der Satzung seien die gemeinnützigen Zwecke aufzuführen. Die Vorschrift des § 52 AO enthalte eine abschließende Aufzählung der gemeinnützigen Zwecke. Er bitte, die Zwecke entsprechend den begrifflichen Vorgaben in § 52 AO zu formulieren. Aus der Satzung müsse sich die Art und Weise der Zweckverwirklichung ergeben. Er wies für die Überarbeitung der Satzung darauf hin, dass die Formulierungen der Mustersatzung verbindlich und deshalb wörtlich zu übernehmen seien. Für die Anpassung der Satzung räumte er einen Zeitraum von acht Monaten ein und bat darum, den Satzungsentwurf vorab mit dem Finanzamt abzustimmen.
Der Kläger machte von diesem Angebot keinen Gebrauch. Die au...