rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung der Jahresrohmiete für ein Ladengeschäft. keine Rückrechnung am Bewertungsstichtag tatsächlich gezahlter Mieten auf den Hauptfeststellungszeitpunkt
Leitsatz (redaktionell)
1. Die nach den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1964 übliche Miete für ein Ladengeschäft kann nicht durch Rückrechnung der am Bewertungsstichtag (hier 1. Januar 2016) tatsächlich im örtlichen Umfeld des Bewertungsobjekts für vergleichbare Objekte gezahlten Mieten unter Anwendung des Baukosten- oder Lebenshaltungskostenindexes ermittelt werden. Vielmehr soll die Ermittlung der ortsüblichen Miete in erster Linie aus der im Jahr 1964 für ähnliche Geschäftsräume gezahlten Miete abgeleitet werden.
2. Scheitert eine Schätzung der üblichen Miete im unmittelbaren Vergleich daran, dass nach Art, Lage und Ausstattung vergleichbare vermietete Objekte am 1. Januar 1964 nicht oder nicht in ausreichender Zahl vorhanden waren, kann die Miete unter Heranziehung von auf den Hauptfeststellungszeitpunkt aufgestellten Mietspiegeln geschätzt werden.
3. Da gewerblich genutzte Räumlichkeiten, insbesondere Läden, regelmäßig in kürzeren Zeitabständen als Wohnungen an die sich ändernden Anforderungen des Marktes durch Umbau und Modernisierung angepasst werden, spielt das Baujahr des Gebäudes, in dem sich die zu bewertende Einheit befindet, nur eine untergeordnete Rolle.
Normenkette
BewG §§ 78, 79 Abs. 1, § 80
Tenor
Der Einheitswertbescheid auf den 01.01.2016 vom 04.09.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.10.2016 betreffend die Teileigentumseinheit Nr. 1 im Gebäude B.-straße in C. wird mit der Maßgabe geändert, dass die Jahresrohmiete des Ladenraums unter Berücksichtigung einer Miete von 6,50 DM/m²/Monat ermittelt wird. Die Berechnung wird dem Beklagten übertragen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 81,37 % und der Beklagte zu 18,63 %.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die zutreffende Höhe der Einheitswerte für zwei Immobilien, und zwar eine Teileigentumseinheit (Laden) sowie eine Eigentumswohnung, beide belegen im Gebäude B.-straße in C..
Durch notariell beurkundeten „Wohnungs- und Teileigentumskaufvertrag mit Bauverpflichtung” vom 24.10.2014 erwarb der Kläger von der D. GmbH mit damaligem Sitz in E. Miteigentumsanteile von 523,15/10.000 sowie 750,54/10.000 an dem Grundstück Gebäude- und Freifläche F.-straße / B.-straße, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts C., Gemarkung C., Flur 8, Flurstück 79/1 mit einer katastermäßigen Größe von 1.029 m². Der Miteigentumsanteil von 523,15/10.000 war verbunden mit dem Sondereigentum an dem im Neubau (postalisch: B.-straße) im Erdgeschoss belegenen (noch zu errichtenden) Teileigentum Nr. 1 (Laden) mit einer Größe von ca. 147,40 m² nebst einem Sondernutzungsrecht an dem Keller K 1 mit einer Größe von ca. 48,85 m². Der Miteigentumsanteil von 750,54/10.000 war verbunden mit dem Sondereigentum an der ebenfalls im Neubau (im 6. OG) belegenen (noch zu errichtenden) Wohnung Nr. 12 mit einer Größe von ca. 277,80 m² nebst einem Sondernutzungsrecht an dem mit K 12 bezeichneten Keller, dem Sondernutzungsrecht an dem mit S 4 bezeichneten Kfz-Stellplatz im Parklift-System und den Sondernutzungsrechten an den Schaufensteranlagen SNR 2 und SNR 3. Hinsichtlich der Wohnung Nr. 12 schuldete die Verkäuferin die Lieferung im „modifizierten Rohbauzustand”; darunter verstanden die Vertragsparteien: Ohne Innenwände, Fliesen, Oberboden, Sanitärausstattungen, Elektroinstallationen und Malerarbeiten. Der Innenausbau sollte insoweit vom Käufer auf eigene Kosten vorgenommen werden (§ 3 Nr. 1 des Kaufvertrages).
Die Verkäuferin D. GmbH hat ihren Sitz im Mai 2015 von E. nach G. verlegt; alleiniger Anteilsinhaber der GmbH-Anteile ist der Kläger. Er ist zugleich – neben Frau H. – Geschäftsführer der GmbH. Frau H. ist die Mieterin der streitgegenständlichen Eigentumswohnung Nr. 12.
Nach § 5 des notariell beurkundeten Kaufvertrags war die Fertigstellung des Neubaus bis zum 30.06.2015 zugesagt. Der Gesamtkaufpreis betrug 880.000 EUR und entfiel in Höhe von 350.000 EUR auf das Teileigentum Nr. 1 nebst Keller, in Höhe von 495.000 EUR auf die Eigentumswohnung Nr. 12 sowie in Höhe von 35.000 EUR auf den Kfz-Stellplatz S 4 (§ 6 des Kaufvertrages). Das Sondernutzungsrecht an den Schaufensteranlagen SNR 2 und SNR 3 fand bei der Kaufpreisaufteilung keine Berücksichtigung.
Die Fertigstellung des Neubaus erfolgte im Laufe des Jahres 2015.
Mit Bescheid vom 04.09.2015 stellte der Beklagte im Wege der Wert-, Zurechnungs- und Artfortschreibung den Einheitswert für die Teileigentumseinheit Nr. 1 auf den 01.01.2016 in der Grundstücksart Geschäftsgrundstück in Höhe von 84.158 EUR fest und rechnete diesen dem Kläger zu. D...