Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein ermäßigter Umsatzsteuersatz für von einem gemeinnützigen Verein zur Integration von behinderten sowie ehemals langzeitarbeitslosen Menschen in den normalen Arbeitsmarkt betriebenes Bistro
Leitsatz (redaktionell)
Betreibt ein gemeinnütziger Verein zur Förderung des Wohlfahrtswesens neben einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen zusätzlich noch auf einem Bahnhof mit öffentlichen Mitteln gefördert ein Bistro, das nicht Betriebsteil der Werkstatt für Behinderte ist und in dem ehemals langzeitarbeitslose sowie behinderte Menschen gegen Bezahlung arbeiten, die wegen ihrer Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, aber nicht zur Behindertenwerkstatt gehören, so stellt das Bistro keinen zur Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes berechtigenden Zweckbetrieb nach § 66, § 68 Nr. 3 Buchst. a AO dar. Es stellt auch kein Integrationsprojekt i. S. d. § 68 Nr. 3 Buchst. c AO dar, wenn kein Leistungsbescheid des zuständigen Integrationsamtes über erbrachte Leistungen nach § 134 SGB IX erteilt worden ist.
Normenkette
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a; AO §§ 64, 14, 65-66, 68 Nrn. 4, 3 Buchst. a, c, § 53; SGB IX § 132 Abs. 1, § 134
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung des Wohlfahrtswesens. Außerdem verfolgt der Kläger mildtätige Zwecke im Sinne des § 53 Abgabenordnung (AO) durch die Unterstützung von Personen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands der Hilfe bedürfen. Zur Erfüllung dieses Satzungszwecks betreibt der Kläger eine anerkannte Werkstatt für behinderte Menschen mit dem Ziel, Personen Arbeitsplätze zu bieten, die wegen ihrer Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können. Seit dem 02.07.2007 betreibt der Kläger am Bahnhof C… zudem ein Bistro und eine öffentliche Toilette, die nicht Betriebsteil der Werkstatt für Behinderte sind. Die Ausstattung von drei neu geschaffenen Arbeitsplätzen für behinderte Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt wurde mit drei personenbezogenen Bewilligungsbescheiden des Landesamts für Soziales und Versorgung (Integrationsamt) zu 100 % gefördert. Sowohl die Lohnkosten der im Bistro beschäftigten ehemaligen Langzeitarbeitslosen als auch die Lohnkosten der aus dem Arbeitsbereich der Werkstatt für behinderte Menschen ausgegliederten und nunmehr in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis beschäftigten behinderten Menschen wurden durch öffentliche Mittel gefördert. In den Jahren 2007-2009 waren jeweils drei behinderte Arbeitnehmer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (kein Werkstatt-Status) sozialversicherungspflichtig beschäftigt, ab Februar 2009 lediglich zwei. Zusätzlich waren jeweils zwei nicht behinderte Arbeitnehmer beschäftigt, ab Oktober 2008 lediglich einer. Alle Arbeitnehmer hatten eine wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden. Der Bruttostundenlohn betrug für die behinderten Arbeitnehmer zwischen 5,63 EUR und 6,00 EUR, der für die nicht behinderten Arbeitnehmer 6,25 EUR. Der Kläger unterwarf die Umsätze aus dem Bistro und dem Toilettenhäuschen dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Umsatzsteuergesetz (UStG).
Im Rahmen einer Betriebsprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass es sich bei dem Bistro um einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb handele, der kein Zweckbetrieb sei. Folglich sei der allgemeine Steuersatz anzuwenden.
Der gegen die entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheide vom 15.08.2012 eingelegte Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg. In seiner Einspruchsentscheidung vom 07.11.2014 führte der Beklagte im Wesentlichen aus, Bistro und Toilettenhaus stellten keinen Zweckbetrieb dar. Insbesondere lägen die Voraussetzungen des § 68 Nr. 3 Buchst. a und Buchst. c und Nr. 4 AO nicht vor. Bistro/Toilette hätten weder den Status einer Werkstatt für behinderte Menschen (§ 68 Nr. 3 Buchst. a AO) noch handele es sich um ein Integrationsprojekt im Sinne des § 132 Abs. 1 des Neunten Sozialgesetzbuchs (SGB IX), § 68 Nr. 3 Buchst. c AO, da der Kläger sich aus außersteuerlichen Gründen ausdrücklich gegen eine Einordnung des Bistrobetriebs als Integrationsprojekt entschieden habe. Es handele sich auch nicht um eine Einrichtung zur Durchführung der Blindenfürsorge und der Fürsorge für Körperbehinderte, da die Tätigkeit der im Bistro beschäftigten Arbeitnehmer sich nicht auf die Fürsorge Behinderter richte. Sie bestehe vielmehr im Verkauf bzw. dem Anbieten von Dienstleistungen in Form der Versorgung von Kunden mit Speisen, Getränken, Zeitschriften etc. gegen Entgelt.
Ferner liege keine Einrichtung der Wohlfahrtspflege im Sinne des § 66 i. V. m. § 53 AO vor. Denn nach den von der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege definierten Aufgaben müsse es sich um Tä...