Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtzeitige Erfüllung der Mitwirkungspflichten des leistenden Unternehmers im Rahmen der Rückgängigmachung der Steuerschuldernschaft des Leistungsempfängers in sog. Bauträgerfällen. Erfüllungswirkung der Abtretung
Leitsatz (redaktionell)
1. Zu den in § 47 AO ausdrücklich genannten Erlöschenstatbeständen zählt auch die Zahlung. Dem steht die Wirkung eines Vorgangs an Zahlungs statt gleich, wie sie § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG für die Abtretung des Anspruchs des Leistenden gegen den Leistungsempfänger auf Nachzahlung der Umsatzsteuer vorsieht. Über diese Wirkung ist durch Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO zu entscheiden.
2. Nach § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG tritt eine Erfüllungswirkung der Abtretung nur ein, wenn der leistende Unternehmer dem Leistungsempfänger eine erstmalige oder geänderte Rechnung mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer ausstellt (Nr. 1), die Abtretung an das Finanzamt wirksam bleibt (Nr. 2), der Leistende dem Leistungsempfänger diese Abtretung unverzüglich mit dem Hinweis anzeigt, dass eine Zahlung an den leistenden Unternehmer keine schuldbefreiende Wirkung mehr hat (Nr. 3) und der Leistende seiner Mitwirkungspflicht nachkommt (Nr. 4). Das Fehlen einer dieser Voraussetzungen kann zur Wirkungslosigkeit der erfolgten Abtretung führen.
3. Der Leistende hat im Rahmen des § 27 Abs. 19 Sätze 3, 4 UStG alles ihm Zumutbare zu tun, um dem Finanzamt die Realisation des abzutretenden zivilrechtlichen Anspruchs zu ermöglichen. Dazu gehört es zum Beispiel, dass er dem Finanzamt die der Leistung zugrunde liegenden Dokumente (Vertrag, Leistungsverzeichnis, Abnahmeprotokolle) übergeben muss und die Abtretungsvereinbarung mit dem Finanzamt zeitgerecht abzuschließen hat.
4. Zögert der Leistende die Abtretung oder die geänderte Rechnungsstellung bis zum Eintritt der zivilrechtlichen Verjährung der abzutretenden Forderung hinaus, obwohl ihm eine rechtzeitige Abtretung möglich und zumutbar gewesen wäre, liegt eine Mitwirkungspflichtverletzung im Sinne von § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG vor, welche die Erfüllungswirkung der Abtretung ausschließt.
Normenkette
UStG §§ 13b, 27 Abs. 19 S. 4; AO §§ 47, 218 Abs. 2
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob für die Tilgung der Umsatzsteuerzahllasten aus Änderungen der Umsatzsteuerbescheide 2011 bis 2013 wegen der Rückgängigmachung der Steuerschuldnerschaft der Leistungsempfänger B… GmbH und C… GmbH auf den Zeitpunkt der Annahme der Abtretungen durch den Beklagten oder auf die Zeitpunkte der Aufrechnung mit deren Umsatzsteuererstattungsansprüchen abzustellen ist, mithin, ob diese Abtretungen gemäß § 27 Abs. 19 Satz 4 Umsatzsteuergesetz –UStG– an Zahlungs statt wirken.
Die Klägerin ist ein Unternehmen, welches Fliesenlegearbeiten und ähnliches durchführt. Sie war in den Streitjahren für verschiedene Bauträger tätig. Dabei meldeten die Bauträger die auf die Umsätze der Klägerin entfallende Umsatzsteuer als Leistungsempfänger gemäß § 13b UStG an.
Von den Bauträgern beriefen sich die B… GmbH, die C… GmbH und die D… GmbH auf das Urteil des Bundesfinanzhofes vom 22.08.2013 (V R 37/10, Bundessteuerblatt –BStBl.– II 2014, 128) und forderten gegenüber den für sie zuständigen Finanzämtern der für sie bestehenden Umsatzsteuerfestsetzungen. Wegen der Verteilung der Beträge auf die Bauträger und die einzelnen Jahre wird auf die Einspruchsentscheidung zur Umsatzsteuer 2011 bis 2013 vom 31.07.2018 (Blatt 380 ff. FA-Ordner) verwiesen.
Am 03.12.2014 wandte sich der Beklagte an die Klägerin und teilte mit, dass die B… GmbH unter Berufung auf das oben genannte Urteil des Bundesfinanzhofes beantragt habe, ihr die von ihr als Leistungsempfängerin für Leistungen der Klägerin einbehaltenen und nach § 13b UStG abgeführten Umsatzsteuern 2011 und 2012 zu erstatten. Eine Auflistung der entsprechenden Umsätze war beigefügt. Weiter forderte der Beklagte die Klägerin auf, berichtigte Steuererklärungen für die Jahre 2011 und 2012 einzureichen. Er wies auf § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG hin und erklärte, dass die Vertrauensschutzregelung des § 176 Abgabenordnung –AO– dieser Änderung gemäß § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG nicht entgegenstehe. Weiter wies der Beklagte darauf hin, dass die Klägerin berichtigte Rechnungen erstellen und den sich daraus gegen den Leistungsempfänger ergebenden Zahlungsanspruch an das Land Brandenburg abtreten könne. Einen entsprechenden Abtretungsvertrag fügte der Beklagte bei.
Die Klägerin verwies mit Schreiben vom 06.01.2015 darauf, dass ihr Vertrauensschutz gemäß § 176 AO zukomme, und vertrat die Auffassung, dass § 27 Abs. 19 UStG wegen eines Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot nichtig sei.
Am 17.02.2015 erließ der Beklagte gegenüber der Klägerin geänderte Umsatzsteuerbescheide 2011 und 2012, in denen er die bereits angekündigten Beträge ansetzte. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Mit der ...